Karl Eder - Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung

413 3. Das „reine Evangelium" als Forderung der drei „politischen Stände" im Jahre 1525 und seine Einführung in die Öffentlichkeit. Seitdem 1521 April 28 durch den Teilungsvertrag zwischen Karl und Ferdinand die niederösterreichischen Länder an den letzteren ab- getreten worden waren, hing die kirchenpolitische Entwicklung in Österreich im hohen Grade von der Haltung Ferdinands I. ab. Der Erz- herzog versuchte zuerst durch das Mandat von 1523 März 12"') die lutherischen Schriften, die in den niederösterreichischen Ländern überall „umgeführt, kauft, verkauft, gelesen und verbreitet" wurden, zu verbieten und schrieb den Behörden Wachsamkeit auf die Buch- drucker, Buchführer und Kramer vor. Die vom Wormser Edikt 1521 angeordnete Verbrennung der lutherischen Schriften hatte sich als Schlag ins Wasser herausgestellt. Durch seinen Beitritt zur Regens- burger Reformation und Einigung' 2 ) bekundete Ferdinand den festen Entschluß, sowohl zur Reform des Klerus wie zur Ablehnung aller Re- ligionsneuerungen. Stärker jedoch als sein guter Wille, die Glaubens- einheit zu retten, waren die Verhältnisse in den Erbländern, welche durch zwei Merkmale zu charakterisieren sind. Sie heißen reißende innere Zersetzung der katholischen Kirche und stärkste Auslieferung des Landesfürsten an die Stände infolge der riesigen Geldansprüche zur Abwehr der Türkengefahr. Angesichts dieser bedrängten Lag·e des katholischen Landesfürsten wagten die weltlichen Stände im Jahre 1525 den kühnen Schritt, unter dem Schlagwort vom „reinen lauteren Evan- gelium und Gotteswort" Luthers Lehre zur ständischen Forderung zu erheben und in aller Form in der Öffentlichkeit einzuführen. Eine gün- stige Gelegenheit für diesen neuen Schritt vorwärts bot der erste ob- derennsische Bauernaufstand. Die Reg·ierung war in größter Sorge, daß das ausgebrochene Feuer ähnliche Verwüstungen wie in Deutsch- land anrichten könnte und sah sich in vermehrtem Umfang auf die Stände angewiesen. Der Adel, gegen den sich in erster Linie die Er- hebung richtete, konnte sich vom „Bundschuh" keiner guten Dinge versehen. Mitten in dieser kritischen Stunde g-riff ein Ständeausschuß die religiöse Frage auf und gab ihr eine Wendung, die sie zur Ent- stehung und zur Überwindung des Aufstandes in Beziehung setzte. Ein „Gutachten, die Empörung· zu s t i 11 e n" 43 ) aus dem Anfang des Juni 1525 führt die Empörung hauptsächlich auf die vielen wider- wärtigen Predigten und Lehren, die fälschlich als Wort Gottes ge- lehrt wurden, zurück. Die Bruderliebe werde durch Eigennutz, Auf- ruhr und Zwietracht ersetzt. Da das hl. Evangelium allen Friede und brüderliche Liebe anzeige und nichts mehr als Zwietracht und Aufruhr hasse, so bäten sie um das hl. Evangelium, lauter und ohne eigenen Zusatz, so wie es am besten durch die Vergleichung beider Testamente verstanden würde. Die Bitte um den Schutz solcher Prediger und die Zuweisung der · Armenversorgung an die Pfarrmenigen sucht die Schritte des Passauer Offizials abzuwehren .und die Folgen der ge- 41 ) Ganz abgedruckt z. B. bei Raupach, Bd. II, S. 22 ff. 42 ) Janssen-Pastor, Geschichte des deutschen Volkes, Bd. II 18 , S. 360 f. 43 ) Annalen, Bd. I, BI. 372. Czerny A., Der erste Bauernaufstand, S. 97 f.

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