Karl Eder - Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung

405 und dem raschen Abfluß der Ereignisse eine Scheidung schwer vor- zunehmen ist. In der Garstner Pfarre S t e y r, wo es bereits 1520 zwei Kirchenparteien gab und der Abfall von der katholischen Kirche unter- dessen sicher weitere Fortschritte gemacht hatte, lenkte der furchtbare Stadtbrand von 1522, der die herrliche, fast vollendete Pfarrkirche teil- weise und die Dominikanerkirche noch schwerer beschädigte, die Auf- merksamkeit von der Glaubensspaltung etwas ab, so daß die Weiter- entwicklung erst 1525 wieder im vollen Lichte der geschichtlichen Be- zeugung liegt. Nach Steyr ging Gmunden, der Sitz des Salzamt- mannes und das Zentrum der Salzverfrachtung, in der neuen Lehre voran. 1522 und 1523 zogen bereits Gmundner Bürgerssöhne nach Wittenberg, um dort Theologie zu studieren. Es wurde früher gezeigt, daß die kirchlichen Verhältnisse dieser Stadt tatsächlich sehr darnieder Jagen und daß der Pfarrer Paul Tannstätter mit seinen Geistlichen sich höchst unpassend aufführte. Als er im Sommer 1524 nach schweren Streitigkeiten mit der Bürgerschaft die Stadt verlassen mußte, war die Stadt schon stark mit lutherischen Anschauungen durchsetzt. Doch wird man nicht fehlgreifen, den Hauptg·rund für das rasche Eindringen der neuen Lehre neben dem Mangel an würdigen Geistlichen und der Beweglichkeit der Salzbeamtenschaft dem Einfluß der Scherfenberge auf Schloß Ort zuzuschreiben. Schon 1523 galt die Stadt als „luthe- r isches Nest". Diese Wandlung ist in erster Linie dem Gmundner Fron- amter K a spar Schi 11 in g zuzuschreiben, der in diesem Zusammen- hange eingehender zu würdigen ist. Kaspar Schilling 12 ) war der Sohn einer ang·esehenen begüterten Gmundner Bürgersfamilie und neigte frühzeitig zum geistlichen Leben. 1517 lebte er in Gmunden als Frater Ordinis S. Petri (,,Petrinus"), erhielt am 31. Dezember 1517 von Abt Wolfgang· Haberl von Mondsee den Tischtitel und wurde vermutlich 1518 zum Priester geweiht. Er wirkte dann bis 1524 in Gmunden als Fronamter und Schulmeister. Unter dem Eindruck der lutherischen Ideen unterließ er die kanoni- schen Tagzeiten, ließ Teile der Messe aus, hielt die Fasttage nicht mehr und verkehrte fleißig mit den Lutheranhängern der Stadt. An- fangs 1524 trug er sich mit dem Gedanken, zu heiraten, legte seine Stelle in Gmunden nieder, wohl unter dem Druck Niedernburgs und um der Ferdinandeischen Reformationskommission zu entgehen, und wurde Kooperator in Purckstall. Seine Mutter, die noch am Leben war, schrieb dies ihrem zweiten geistlichen Sohn, dem bekannten Schrift- steller P. Leonhard Schilling, Konventuale in Mondsee, und dieser beschwor seine Mutter und seinen Bruder, katholisch zu bleiben. Seinem Bruder schrieb er einen flehentli chen Brief, in dem er ihn an der Hand des kirchlichen Rechtsbuches auf die Ungültigkeit der Ehe und die Rechtsfolgen, Exkommunikation und Irregularität aufmerksam macht, ihn bittet, seine Konkubine mit dem Kind zu entlassen und um Dispens der Kirchenstrafen anzusuchen . Zu den Bitten, seines Seelenheiles ein- 12 ) Ra upach B., Presbyterologia Austr iaca, S. 157 ff. Krackowizer F., Ge- schi chte der Stadt Gmund en, Bd. II, S. 126 f. Tönig A., Kaspar Schilling von Gmunden, l'BLT. (1910), Nr. 6 und 7.

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