Karl Eder - Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung

402 sich die theologische Fakultät g·efügt hatte, konnte erst der kaiserliche Befehl von 1521 März di e Annahme der Bulle durch die Universität er- zwing·en. Der Bischof von Wien zeigte große Lässigkeit. Dazu hatte der Pasquillen- und Flugschriftenkampf eine heute kaum mehr vorstell- bare Leidenschaftli chkeit erreicht. Das Land ob der Enns stand mit diesen Vorgängen in doppelter Berührung. Fürs erst e warfen Bu c h- f ü h r e r massenhaft Traktätchen, Spottbilder und Newe Zeitungen auf den weitberühmten Li n z e r Mä r k t e n zu Ostern und im Herbst unter die Bevölkerung und verkauften Luthers Schriften. Mindes tens eben so wichtig·, aber bi s jetzt ganz unbeachtet , waren die s t ä n- d i s c h e n G e s a n d t s c h a f t e n nach Augsburg, Aachen und Worms im J ahre 1520. Es war von entscheidender Auswirkung auf das Land ob der Enns , daß in dem grundl eg·enden Jahr 1520 eine Reihe von obderennsischen Adeligen längere Zeit in dem bis zur Siede- hitze aufgepeitschten Deutschland weilten und die Vorgänge g·erade in den Brennpunkten miterleben kanten. Es läßt sich förmlich im Einzel- nen nachweisen, wie die ersten Fäden zwischen Luther und Adeligen des Landes gerade zwischen solchen sich entspannen, welche eben 1520 den ungeheuren Geisteskampf in Deutschland aus nächster Nähe mi t- erlebt hatten. Ich erblicke in diesen Gesandschaften die Brücke, welche den bisher ungeklärten Gegensatz zwischen dem Land ob der Enns und der so raschen Zuwendung des Adels zum Luthertum überschlägt. In A u g s b u r g· hatten zur Tagsatzung im Kampf des Herrenstandes geg·en den Landeshauptmann im Sommer 1520 geweilt Sebastian von Traun, Achaz von Losenstein und Hans von Starhemberg auf der einen, Wolfgang Jörger auf der anderen Seite, in Landesangelegenheiteu Leonhard, Abt von Wilhering, Cyriak von Pollheim und Adam Schintl- perg·er, Bürger von Freistadt, und, von der Ritterschaft gesondert, Ale- xander Schifer zu Freiling, Kaspar Schallenberger, Georg Sigharter; zu Leombach, Vizedom, Andreas Prucker zu Schlüsselberg, Anwalt,. Hans Pinter, Hofrichter zu St. Florian, Mathes Raid und Stephan Porer. Am 13. September ritt Cyriak von Pollheim mit seinem adeligen Diener· Christoph Inderseer zur Kaiserkrönung Karls V. nach Aach e n, 1ag· vom 28. Oktober bis 14. November in K ö 1n, vom 18. bis 25. Novem- ber in Ma i n z und zehn Tage „in eigen Sachen" in W o r m s. In Worms scheinen sich auch der obige Dreierausschuß des Herrenstandes und Wolfgang jörger persönlich eingefunden zu haben, um ihre Streit- sache auszutragen. Der kaiserliche Revers von 1520 Dezember 4 neigte dem Jörger zu, ließ aber einen weiteren Schriftenwechsel offen. Im Hofrat saßen, wie der Jörger hervorhebt, vi er Fürsten. Es ist kein Zweifel, daß der Umgang mit dem Adel aller Grade, die Einblicke in das Leben der genannten Städte und die persönlichen Wahrnehmun- gen über die Scheidung der Geister die obderennsischen Adeligen in den Bannkreis der neuen Bewegung zogen. Die Folgen sollten sich gleich das nächste Jahr zeigen. In den J ahren 1521 bis 1524 begann das Luthertum auf den Schlössern und in Städten und MärkteQ des Laudes ob der Enns bereits offen hervorzutreten.

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