Karl Eder - Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung

Fünfter Abschnitt. Die Anfänge des Luthertums im Land ob der Enns 1518-1525. 1. Keime und Frühspuren (1518-1520). Die durch Luthers Kampf gegen den Ablaß entfachte Bewegung, die von Anfang· an das deutsche Volk von Grund auf erregte, hatte ihre Wellenkreise bereits in den Jahren 1518-1519 über das Land ob der Enns g·eworfen. Da 1520 schon zwei kirchliche Heerlager im Land nachweisbar sind, müssen die Wurzeln des Luthertums bereits in die vorausgehenden J ahre zurückreichen. Der rege Handelsverkehr, be- sonders mit Süddeutschland, die Springflut der Flugliteratur, die sich an das Auftreten des Wittenberger Mönches knüpfte, nicht zuletzt der wie ein schweres Gewitter über Deutschland und den Erbländern zusam- mengeballte Reformgedanke der Kirche, machen die sofortige Bekannt- schaft des Landes mit Luthers Ideen verständlich. Gespannt blickten der Adel, viele Kleriker und die Bürgerschaft der Städte auf die Vor- gänge, die sich in Deutschland abspielten. Im Dezember 1518 kam hoher Besuch nach Linz. Der zum Augsburger Reichstag als päpst- licher Legat wegen der Türken.frage abgeordnete Kardinal Kajetan, ein gelehrter Dominikaner , der mit Luther die bekannten Verhandlungen geführt hatte, weilte innerhalb der Mauern der Stadt Linz. Er wollte nach seiner g·escheiterten Mission über Wien nach Rom zurückreisen. Da ereilte ihn in Linz die Konstitution Leos X. von 1518 November 9 über den Ablaß, welche, ohne Luthers Namen zu nennen, die Ablaß- lehre der Kirche darlegte. K a r d i n a l K a j e t an p u b l i z i e r t e d i e s e w i c h t i g e B u 11 e a m 1 3. D e z e m b e r i n L i n z, worauf sie in zahlreichen Drucken in Deutschland verbreitet wurde, allerdings mit geringem Erfolg·, da die öffentliche Meinung gegen den Ablaß ge- richtet war 1 ) . Man darf mit G1'und vermuten, daß dieser Akt die ge- spannte Aufmerksamkeit des Landes noch erhöhte. Schon Form und 1 ) P as tor L ., Geschichte der Päpste, Bd. IV, 1. Abt., 10.- 12. Auflage, S. 260 ur- teilt: ,,Zunächst war Lut hers Appella tion der Bekanntmachung der Bulle zuvor~e - kommen und hatte deren Wirkung bedeutend abgeschwächt. Sodann war der Ab- laß fast in ganz Deutschland durchaus unpopulär: man sah in demselben nur ein Mittel zur Bereicherung der geldgierigen Kurie und der verhaßten Dominikaner, welche die Bulle erpreßt haben sollten. Luthers Auftreten geg en den Abl a ß er- schien nach wie vor Ta u senden als durchaus berechtigt, er selbst a ls Vor kämpfer .der so notwendigen Reform kirchlicher Mißstände."

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