Karl Eder - Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung

375 Im einzelnen forderten die gravamina außer den schon früher be- rührten Punkten besonders die Sicherung der Prälaturen und guten Pfarren für Adelige, Schutz gegen die Pfarrübergabe an Höflinge und Fremde, Abstellung der Inkorporationen (,,was dem Adel in Versor- gung seiner Kinder schadet"), der Schädigung der Pfarren durch un- taugliche Religiosen und der Spoliation derselben durch Klöster, Vor- schriften für künftige Stiftungen, Abstellung der Laster im Klerus. Der Punkt über die Kirchenrechnung an die Adresse der Kirchmeister zeigt, daß es den Ständen mit diesen gravamina Ernst war. Der Prälatenstand überreichte als „geistlicher Stand" folgende Forderun- gen: Freiheit für den geistlichen Rechtsweg, Verbot des Einzuges erledigter geistlicher Güter, Sicherung des geistlichen Gutes gegen Eingriffe der kaiserlichen Vicedome und Amtleute, Abstellung ange- maßter Vogteirechte, Verbot des Austrittes von Inhabern geistlicher Güter aus dem Prälatenstand u. a. Wichtig für die Weiterentwicklung der Dinge ist die f ö r m 1i c h e B i t t e d e s g e i s t 1i c h e n S t a n d e s, d e r K a i s e r u n d s e i n e E r b e n m ö g e n a 1s L a n d e s f ü r s t e n f o r t a n V ö g t e, B e s c h ü t z e r u n d Schirmherren der Kirche und des geistlichen S t a n d e s s e i n. Kirchenpolitisch bedeutet der Innsbrucker Ausschußlandtag den tiefsten Einschnitt der vorreformatorischen Zeit in den Erblanden. Er war ohne es zu wollen und zu ahnen der Schlußstrich unter die Kircheneinheit der österreichischen Länder. Die gravamina haben sich verselbständigt, treten als wichtiger Machtfaktor auf und entwickeln einen Reformationsplan. Die lf. Kirchenhoheit hatte sich schon so stark ausgebildet, daß ihr bei diesem Werk die Hauptrolle zugedacht war. Aber noch anerkennen die Landstände durchaus die Zuständig- keit des Papstes in dieser Frage. Mit Wehmut vernimmt das Ohr, das aufmerksam diesen Stimmen der Vergangenheit an einer Zeitenwende sondergleichen lauscht, das Läuten einer schweren Glocke. Es ist die Totenglocke, die der Einheit des Glaubens in Europa und in den deut- schen Ländern geläutet wird. d) D i e g r a v am i n a d e r n. ö. L ä n d e r f ü r d a s G u t a c h t e n d e r n. ö. R e g i e r u n g z u m R e g· e n s b u r g e r K o n v e n t 1 5 2 4. Seit der Innsbrucker Tagung waren weittragende Ereignisse auch über das Land ob der Enns hereingebrochen. Die Vertreter des Landes hatten eine kluge Haltung in der ständischen Zwischenregierung nach dem Tod Maximilians I. bis zur Ankunft Ferdinands I. gezeigt. Umso tiefer erregten das Land die durch Dr. Martin Luther ausgelöste Be- wegung und der unaufhaltsame Vormarsch der Türken in Ungarn. Die unmittelbare Gefahr des Halbmondes drängte die religiösen Probleme zwischen 1520-1523 etwas zurück, auf den Landtagen dieser Zeit gewahrt man kirchliche Übelstände nur mehr im Scheinwerferlicht der Steuerfrag·en. 1521 hatte Ferdinand I. den Prälaten des Landes ein Gutachten über die Verwendung der Priestertestamente, der Absent- gelder der Pfarren nach Rom und außer Landes sowie der Kleinodien

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