Karl Eder - Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung

374 den Kaiser über Passau. Er brachte vor die Verweigerung· des Begräb- nisses von Bauern wegen Nichtübernahme des „großen Gottesdienstes", Beredung des armen Mannes iµ seiner Betrübung zu solchem Gottes- dienst weit über sein Vermögen und daher Verödung der Güter, die For- derung ungewöhnlichen Seelschatzes, Spendung des hl. Sakramentes ge- gen Pfändung, Weinschank und Hochzeiten in den Pfarrhöfen wie in gemeinen Tafernen, Verödung der übrigen Tafernen. Ohne Zweifel waren das häßliche Züge der Habsucht und Mißbräuche mit dem Heiligen. c) D er Inn s b rucke r Aus s c h u ß land t a g 1 5 1 8. Der wiederholt in dieser Arbeit herangezogene Innsbrucker Aus- schußlandtag von 1518 gehört trotz der entschiedenen Tonart und der schonungslosen Darstellung der kirchlichen Schäden und Gebrechen durchaus der Zeit vor der Glaubensspaltung· an. Da die gravam.ina als die Anliegen und Beschwerden des weltlichen Standes gegen die Geist- lichkeit vorgebracht wurden, wirken sie wie ein Spiegel, der dem. Klerus entgegengehalten wurde. Die obderennsischen Vertreter legten keine kirchlichen gravam.ina vor, standen aber wie die übrigen Aus- schüsse hinter den gern.einsamen Anliegen. Entscheidend für den Geist der Eingabe ist der Schluß, der die Frage der Zuständigkeit der Kirchenreform aufwirft und Vorschläge für die Durchführung der Ver- besserungen erstellt. Die Landstände raten dem Kaiser von einer Handlung unter dem Anschein einer Reformation gegen die Priester- schaft oder einem Vorgreifen der päpstlichen Heiligkeit in der Geist- lichkeit ab, forden jedoch den Kaiser zur Abstellung der unleidlichen Beschwerden aus sich heraus auf. D e r K a i s e r m ö g e i n f o l g e der Not der Erb lande als Herr und Landesfürst, als Vogt und Beschirmer der Gotteshäuser mit Hilfe der Bis c h ö f e und O r d in a r i Fürs t e n in der G e ist l i c h- k e i t, d e r E r z p r i e s t e r u n d V i k a r e d e m ü b e 1 s t e u e r n u n d d a r ü b e r w i e an d e r e K ö n i g e „p r a g m a t i s c h e Privilegien" und B u 11 e n zu erlangen suchen. Höchst bemerkenswert ist die grundsätzliche Trennung der kirchlichen und staatlichen Gewalt und doch wurde der Auftrag zur Durchführung· der Reformation dem Landesfürsten mit den Bischöfen aus dem Re·chtstitel der Not und der obersten Kirchenvogtei zugewiesen. Der frühere Bischof mit dem Schwert des Landesherrn macht dem Landesfürsten mit dem Bischofstab Platz. Die Befugnis wird freilich vorläufig von einem Kon- kordat abhängig gemacht und, um jedes Mißverständnis auszuschließen, legten die Landesstände ihrer Eingabe eine Kopie pragmatischer Privi- legien und Bullen bei, die andere christliche Könige vom römischen Stuhl erlangt hatten 486 ). •••) Es kann sich nur um die pragmatische Sanktion zu Bourges 1438 ge- handelt 'haben, die aber durch das französische Konkordat von 1516, bestätigt 1517, überholt war oder um die Frankfurter Konkordate 1447. Das Wiener Konkordat von 1448 bot für solche tiefeinschneidende Reformen keine Handhabe. Vergl. Srbik H., Staat und Kirche in Osterreich, S. 18 f.

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