Karl Eder - Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung

342 3. Licht- und Schattenseiten im Klerus. Der Klerus des Landes ob der Enns zeigte nach Herkunft und Vorbildung, Stellung und Tätigkeit wesentliche Unterschiede, so daß er sich nur schwer auf einen gemeinsamen Nenner bringen läßt. Eine sorgfältige Durchforschung der geschichtlichen Überreste läßt Licht- und Schattenseiten erkennen, doch treten die letzteren schärfer hervor. Staat und Kirche waren schwerkrank, das Denken und Fühlen der Zeit tief erregt, eine Ahnung kommenden Unheils lag in der Luft. Der alte Gedanke der Kirchenerneuerung hatte auch im Land ob der Enns Wurzeln geschlagen, man horchte aufmerksam auf die Vorgänge im Reich und war aufnahmebereit für Reformen. Die ansteigende Kurve der gravamina geg·en den Klerus verrät das Absinken der Seelsorge und des Klerus von der Höhe des Durchschnittes sowie den zunehmen- den Widerstand weiter Kreise gegen diese Zustände. Dennoch wäre es unsachlich, die Lichtseiten im damaligen Klerus zu übersehen. Man findet vielmehr die Tatsache bestätigt, daß das Gute, von Einzelnen oder Gemeinschaft en geschaffen, zu seiner Zeit weniger auffällt, sich bald aus der Erinnerung verliert und vor allem geringere geschichtliche Niederschläge erzeugt. Wenn fünfundfünfzig Pfarreien eines Dekanates in leidlichem Stande und fünf in Unordnung waren, so kamen diese fünf in den Schriftwechsel, in die Landtage und in die Geschichte, nicht aber die fünfundfünfzig gesunden. Eine nüchterne iluitische Geschichts- schreibung wird diesen Vorsprung des Bösen genau beachten und Licht- und Schattenseiten gerecht zu verteilen suchen. Zu den schönsten Li c h t s e i t e n des damaligen Klerus zählen zahlreiche Ä u ß e r u n g e n p e r s ö n 1i c h e r F r ö mm i g k e i t . Sie sind schwerer zu erfassen als die Ausdrucksformen amtlicher Kirch- lichkeit und Religiosität. Die religiöse Motivation der Stiftsbriefe, die Darstellungen verstorbener Geistlicher mit Kasel, Buch und Kelch auf den Grabplatten, gewisse Grußformeln in den Briefen der Zeit, sind an sich Formulare. Individuelle Äußerungen fallen dem Kenner auf den ersten Blick auf. Solche liegen vor, wenn Priester in S t i f t s b r i e f e n die geistliche Stiftung als Dank für erlangten Wohlstand 30"), als Aus- druck der besonderen Andacht zu einer bestimmten Kirche bozeich- nen300) oder Wünsche über gewisse Meßformula).'e und Kollekten äußern 307 ). Neben den Stiftsbriefen und ihrer Sprache müssen die ver- 364 ) Beide h atten von 1 fl. 1 Kreuzer. zu zahl en. A nna l en , E d. I, BI. 333. 860 ) In seinem Stiftsbrief von 1521 Montag nach St. Michael sagt z. B. tl er Vikar von Altmünster, Siegmund Neunfelder, er ba be nicht aus seinem vät er- li chen Erbe, sondern a u s der Gnatl e Gottes mit se in en armen Diens t en im priester- lichen Stande etwas erobert und wolle daher sei n Vermögen geistlich anlegen . Es so ll e immer ein frommer Priester in der neuen Allerheiligenkapelle zu Münster unter dem Portal auf dem Freithof unterhalten werden. Landesarchiv, K opia l - buch de1· Herrschaft Ort, Hs. .339, BI. 110. 366 ) 1515 Sonntag nach Lucia und Ottilia stiftete Martin Viertail , Vikar zu St. Peter a. '\V. einen Jahrtag in die Margaretkirche von Lembach, wohin er und sein Bruder sonderlich Vertrauen trugen, auf den Tag nach Margret. StSoöLR., IV (Größere Orte), Nr. 18, Lembach, Bd. LXXVIII. 367 ) Der Chorherr von Spital a . P ., Simon Kirchschlager, wiin schte für sei ne Meßstiftung von 1511 Dorothea e ine '.rotenmesse , die der fr eie Kaplan (der

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