Karl Eder - Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung

320 E. Spolienrecht und Spoliation. Das Spolienrecht, die Einziehung des beweg·lichen Nachlasses eines kirchlichen Pfründeninhabers durch den Vogt, bildete mit dem Anspruch auf die Interkalarfrüchte erledigter Benefizien den unent- wirrbaren Knäuel von Rechten, Scheinrechten und Anmaßungen, der als „Sperr, Inventur und ganze Kognition oder gerichtliche Abhand- lung" das ganze 16. Jahrhundert Passau und Wien entzweite. Schon der Name 304 ) drückt den Gewaltcharakter dieser Handlung aus und zeigt auf den Ursprung des Vorg·anges hin. Es ist das Eigenkirchenrecht der Grundherren und zwar aus der Zeit, in der das jus fundi noch nicht zum jus fundatoris abgeschwächt worden war. Da das Spol ienrecht auch den geistlichen Grundherren folgte, war es längst allgemeine Übung geworden und stellte mit Lehenschaft und Vogtei, Gerichtsbar- keit und Besteuenmgsrecht des Klerus, die letzte wesentliche Über- schneidung der bischöflichen und landesfürstlichen Herrlichkeit dar. Der enge Zusammenhang des Spolienrechtes mit Lehenschaft und Vogtei rückt im vorhinein die übermacht des Adels auf diesem Gebiete in den Vordergrund. Es entspricht der Rechtslage am besten, die Unter- suchung in die vier Einzelfragen, das landesfürs tli che und t.das bischöf- liche Spoliationsrecht, das Spoliationsrecht der Klöster und der welt- lichen Patrone und Vögte zu zerleg·en. Das S p o 1i e n r e c h t d e s L an d e s f ü r s t e n erstreckte sich im Land ob der Enns zwischen 1490-1525 nicht auf alle Pfarren, son- dern nur auf die landständischen Klöster und die kaiserlichen Lehens- pfarren. Sofort nach dem Ableben eines Prälaten oder kaiserlichen Lehenspfarrers erschien eine Kommission, an der :spitze meist der Vize- dom, nahm die Inventur vor, legte die Sperre an und führte die „Krida- verhandlungen" durch. An der Kornmissionierung der Klöster be- teiligten sich auch Vertreter des Bischofs und des Prälatenstandes mit e inem Notar, aber ihr Einfluß wurde mehr und mehr zurückg·edrängt. Die Durchführung der Gläubigerverhandlung und eine Entschädigung wurde den geistlichen Kommissären mit dem Hinweis auf die Zu- ständigkeit des weltlichen Richters verweigert. Der Landesfürst be- gründete seinen Rechtsanspruch mit der lf. Vogtei über die Klöster, wenn aber seine Kommissäre den geistlichen Mitkommissären nicht t1inmal die Überprüfung der Vermögensgebarung der Prälaten ge- statteten, so mißachteten sie die kirchliche Auffassung vom „peculium Christi" gänzlich. Manchmal bedeutete die lf. Vogtei über Klöster, deren Inkorporationspfarren durch Vögte schonungslos ausgeplündert wurden, auch wirklichen Schutz 305 ). In ähnlicher Weise übte der Landes- 11err das Spolienrecht auch auf den lf. Pfarreien aus. Zum Dank für ge- leistete Dienste oder zur Sicherung eines Seelgerätes gewährten die 304 ) Jus spolii, ius exuviarum, Rapite capite, Rips-Raps-Recht. •••) 1490 Februar 1 nahm z. B. Friedrich III. das Kloster Schlägl gegen den kaiserlichen Pfleger der Herrschaft Falkenstein, Johann Oberhaimer, in Schutz, der das Vogtrecht über Rohrbach ausübte. Der Kaiser befahl , dem Oberhaimer aufs strengste, sich von der Hinterlassenschaft des Pfarrers von Rohrbach nichts anzueignen, da diese dem Kloster gehöre, das ohnehin durch die Böhmen und anderes Schaden gelitten habe. Pröll L., Schlägl, S. 100 f.

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