Karl Eder - Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung

315 Gerichtes praktisch zugunsten des letzteren schon entschieden. Zwei Um- stände hatten diesem Ergebni s vorgearbeitet, die Anrufung des Landes- fürsten oder weltlichen Gerichtes durch streitende Klöster oder Kleri- ker untereinander und die g·rundsätzliche Ablehnung einer Trennung und verschiedenen Zuweisung· der spiritualia und temporalia durch das kanonische Recht. Zur Ausbildung des ersten Umstandes trug wesent- lich di e landesfürstliche Klostervogt ei bei. Der zweite Umstand ent- sprang dem Wunsche des kirchlichen Rechtes, die Möglichkeit zur Rückgewinnung verlorenen Rechtsbodens zu wahren, allein bei diesem Versuch erwies sich die Kirche als der schwächere Teil und landes- fürstli che Ansprüche konnten im Gegenteil sich sog·ar auf dem Gebiete der spiritualia festsetzen. Die ganze Entwicklung hatten Zivilstreitig- keiten zwischen Klerikern und Laien eröffnet. Zahlreich waren die Klagen von Klerikern über Schulden und Fahrhabe der Laien und die Erkenntnisse weltlicher Gerichte über Streitsachen von Klerikern unter- einander beschleunigt en die Entwicklung zugunsten der weltlichen Ge- richte. Nach 1500 verblieben dem Diözesangericht tatsächlich nur die De- likte des Klerikers in seiner Eigenschaft als Geistlicher, also Amtsver- nachlässigungen und Übertretungen der kirchlichen Bestimmungen de vita et honestate clericorum. Alle gemischten Ang·elegenheiten, Patronat und Vogtei, geistliche Jurisdiktion in Zehentfragen, Testierfreiheit des Geistlichen und Spoliation, beanspruchten der Landeshauptmann und die Landstände für das weltliche Gericht und lehnten jede Einfluß- nahme Passaus als „Schmälerung der lf. J urisdiktion" ab. Der Kirche verblieben als Rechtsgegenstände nur mehr Ehe- und Gewissenssachen , von Kriminalfällen Häresie, Gotteslästerung und Meineid und von Zivilsachen Testamente ad causas pias und fromme Stiftungen. Die letzteren zwei Materi en zogen jedoch mit immer größer em Erfolge die städtischen Gerichte an sich. Bei so verschiedenen Auffassungen über die Zuständigkeit, bei dem Kampf des geschriebenen Rechts gegen das Gewohnheitsrecht und der ohnmächtigen Theorie gegen eine gewalt- tätige Praxis herrschte über das· Privilegium fori große Unsicherheit. Die Folgen konnten nicht ausbleiben. Als mit 1525 zahlreiche Zitatio- nen von Klerikern nach Passau begannen und manche der Häresie Ver- dächtige mit schwerem Kerker im Oberhaus abgestraft wurden, setzte die Opposition der Linzer Landtage gegen Passau mit voller Schärfe ein. Der Landeshauptmann verweigerte den weltlichen Arm und die lutherfreundlichen Stände legten sich auf die Formel fest , zuerst Ein- vernahme des verdächtigen Klerikers im Land und erst nach Fest- stellung der Schuld Auslieferung nach Passau. Die Weisungen Fer- dinands I. von 1528 November 16, die den Landleuten Festnahme und Auslieferung straßmäßiger Kleriker auftrugen, gingen im Sturm der Zeit unter. 1532 bezeichneten die ständischen Ausschüsse in Innsbruck die Durchführung des Erlasses als Drangabe der lf. Herrlichkeit über die Prälaten- und Kirchengüter und als Aberkennung der „ersten Instanz" der Kirchenvögte über die Pfarrer. Damit hatten die prote- stantischen Stände jene zwei Stellungen bezogen, von denen aus sie sich bis in die Zeit Rudolf II. hinein aller Maßnahmen Passaus gegen di e Ausbreitung· der A. C. siegTeich erwehrten.

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