Karl Eder - Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung

313 wegen Drängelei der Pfarrkinder zu „großem Gottesdienst" sollen nicht abgeschwächt werden, doch war das Taxenwesen, vorab das höchst willkürlich gehandhabte Posseßgeld, für manche Mißstände mit- verantwortlich. D. Die Standesprivilegien des Klerus. Das kanoni sche Recht kennt als Standesprivilegien des Klerus das Privilegium canonis, das Privilegium fori, das Privileg der persön- lichen Immunität und die Rechtswohltat des Notbedarfes (benefi ciurn competentiae) . Die drei ersteren Privilegien erlang· ten besonders im Mittelalter große Bedeutung und hatten am Ausgang dieses Zeitalters eine reiche, vielverschlungene Geschichte hinter sich. Die Berührung dieser Privilegien mit den besonderen Verhältnissen der einzelnen Länder brachte es mit sich, daß das Aussehen der klerikalen Standesrechte um 1500 länderweise ganz verschieden war. Diese Arbeit hat nur kurz auf die Frage einzugehen, ob und inwieweit diese Rechte im Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung noch vorhanden waren. 1. Das Privilegium canonis. Die große Bedeutung der auf schwere Verletzung· und ungerechte Tötung eines Klerikers gelegten Kirchenbuße verlieh diesem Schutz- gesetz des Klerikers in der gewalttätigen Zeit des Mittelalters den Na- n:.en des „privilegium canonis" schlechthin. Das ausgehende 15. Jahr- hundert sah das Land ob der Enns mit schweren Fehden überzogen, bei denen es nicht zuletzt um Gut und Blut der Kirchen und Geist- lichen ging. Es sei kurz eri nnert an die Fehde des Jörg von Stein, der sich mit Wilhelm von Pucheim dem Georg· von Podiebrad g·eg·en Fried- rich III. angeschlossen hatte. 1466 eroberte der Pucheimer Waldhausen, 1467 verheerte Jörg von Stein nach der Eroberung Steyrs u. a. Sankt Florian, Lambach, Garsten und Baumgartenberg 2 ~ 1 ) . 1477 sagten bei Ausbruch des Krieg·es zwischen dem Kaiser und Matthias von Ungarn Heinrich und Christoph von Lichtenstein dem Kaiser ab und überzogen das Land ob der Enns. Am schwersten scheint Florian gelitten zu haben 282 ). 1478/1479 erlebte das Mühlviertel wieder Einfälle der Böh- men. 1480 brachen die Ungarn in das Land ein. Dem Stift St. Florian, dessen Konvent nach Enns und Pulg·arn geflüchtet war, sengte der Feind allein 60 Höfe ab. Diese Verheerungen setzten sich bis zum Tod des Königs 1490 fort. Wenn bei diesen schweren Fehden zwar genug Abteien und Geistli che „geschätzt", aber kein Kleriker erschlagen wurde, so muß das angesichts der Verwilderung und des erschütterten Rechtsbewußtseins auch als Auswirkung des Privilegium canonis be- trachtet werden. Wie genau und allgemein die schwere Kirchenbuße auf Tötung· eines Klerikers im Volke bekannt war, zeigen die Geständ- nisse der Mörder des Abtes Leonhard Küeschink von Garsten, die in mehrfacher Hinsicht für diese Arbeit bemerkenswert sind. 281 ) Vancza 111., Geschi chte Nieder- und Oberöstenei chs, Bd. II, S. 477 f. 282 ) Sti:ilz J., St. Florian, S. 66.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2