Karl Eder - Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung

284 aus, daß mit dem Kleid auch anderes abgelegt werde. Trotzdem fruch- teten diese Anschauung und kirchliche Mahnungen wenig·. Der be- bartete, stark verweltlichte Typus des Klerikers hielt sich noch lange Zeit nach der Gegenreformation. 3. Vorbildung und Studiengang des Klerus. Für den raum-zeitlichen Ausschnitt dieser Frage sind zwei Um- stände, ein allgemeiner in der Zeit wurzelnder und ein besonderer zu beachten. Der Zeit vor der Reformation waren ein bestimmter Studien- gang mit einer vorgeschriebenen Anzahl von J ahren, ein klares Bil- dungsziel und das Berechtig·ungswesen unserer Tage unbekannt. Es herrschten weithin Wildwuchs und buntgesprenkelte Verhältnisse. Der junge Klerus machte in seinem Bildungsgang· keine Ausnahme von diesen Zuständen. Dazu kam, daß im Land ob del' Enns keine hohe Schule war, während im Gebiet des Hochstiftes Passau die Stadt Passau ein theologisches Studium, im Land unter der Enns Wien eine inter- nationale Universität hatte. Im Land ob der Enns fehlten nicht nur der politische und der kirchliche, sondern auch der geistige Mittelpunkt. Da rechtliche Bestimmungen über Mindestforderungen klerikaler Bil- dung· und jede Organisation fehlten, lag der Studiengang der Kleriker auf dem weiten Felde persönlicher Anschauungen. Sehr viel war dem Belieben der einzelnen Klostervorstände und dem Zufall überlassen. Kaum auf einem anderen kirchlichen Gebiete rächte sich der Mangel einer kirchlichen Zentralgewalt im vortridentinischen Zeitalter sosehr als in der brennenden Frag·e der Priesterbildung. Eine wissenschaftl iche theologische Ausbildung für den Leutpriester oder gar den „lVIeß- priester" hielt man für unnötig, man begnügte sich noch immer mit den Mindestforderungen des Ulrich Engelberti 0 . Pr. von Straßburg" 3 ). Dieser hatte für den Priester zur Feier des Meßopfe rs an Lateinkennt- nissen das Verständni s des Wortsinnes des Gelesenen, für den Spender der Sakramente die Kenntnis von Materie, Form und Spendungsweise, für den Lehrer die Grund.lehren des Glaubens, für den Priester als Richter den Unterschied von Sünde und Nichtsünde und der ver- schiedenen Arten der Sünde verlangt. Ein aus religiösen Gründen zum ,,Meßpriester" geweihter junger Mann brauchte nur der ersten Anforde- rung Genüge zu leisten. Für die notwendige Ausbildung standen d r e i W e g e offen. Der breiteste Weg führte über den Privat unt e r r i c h t bei einem Pfarrer oder Schulmeister zu einem bescheidenen theologischen Kurs in einem Kloster oder in Passau. ,,Wer lesen, schreiben und singen konnte, das ist, wer etwas Latein verstand und etwa Chor und Messe singen konnte - habilis in scribendo, cantando et legendo - w::u ge- Kriegsmann stell e und einen H ut mit großen Feder n a ufsetze, was ein em Geist- lichen nicht geb,ihre u nd dem gemeinen Mann ein schlechtes Exempel gebe. Czerny A ., DeT zweite Bauernaufstand, S. 218. Trotzdem die Bauern P a rtei sind, is t dieser Vorwurf beach tli ch. 83 ) Oediger F., Um die K lernsb ildung im Spätmittela l ter, Histor isches J a hr- buch der Gör r esgesellsch aft, Bd. L (1930), S. 145 ff.

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