Karl Eder - Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung

272 Als Ergebnis der Untersuchung· steht ein gleichmäßig über alle Pfarrorte verteiltes und in den Märkten und Städten zu großer Üppig- keit sich entfaltendes Zechen- und Bruderschaftswesen fest, das im kirchlichen Leben vor der Glaubensspaltung eine maßgebende Rolle spielte. Die Zusammenhänge zwischen den Bruderschaften mit der Ge- schichte der Pfarren, Pfarrkirchen und kl eineren Gotteshäuser wurden bereits herausgestellt. Undurchsichtiger ist ihr inneres religiöses Leben und ihre Stellung als Wirtschaftskörper. Umso notwendig·er ist es, die immer mehr schwindenden Überreste (Zechurbarien, Zechraitungen, Bruderschaftslisten und Statuten, Kauf- und Geschäftsbriefe) sorgfältig -zu verwahren und so die Voraussetzungen für einläßliche Pfarrgeschich- ten sicherzustellen. 3. Die Geschicke der Bruderschaften und Zechen im Sturm der Glaubensspaltung. Es wäre eine fesselnde Aufgabe, die Schicksale der Bruderschaften und Zechen in den Wirren des 16. Jahrhunderts zu verfolgen und dar- zustellen, doch überschreitet die Schilderung dieser Vorgänge den Rahmen der Arbeit. Maßgebend beim ersten Ansturm des Luthertums waren die Bruderschaftskapläne und ihre Stellungen in den Städten. Wie kurz angedeutet, suchten die Magistrate diese Benefizien mit Pre- digern der neuen Lehre zu besetzen. Doch setzte bereits innerhalb zweier Jahrzehnte ein so jäher Schrumpfungsprozeß im Benefizialwesen ein, daß in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts der Streit nur mehr um Reste der einstigen Benefizien ging. Die neue Lehre hatte dem alten Bruderschaftswesen die geistigen Voraussetzungen ent- zogen. Die neue Abendmahlslehre hatte mit der '.Messe auch die eucha- ristischen Umgänge, die Fronleichnamsprozessionen und die Gottsleich- namszechen zerstört. Marien- und Heiligenverehrung, so tief mit dem innersten Wesen der Bruderschaften verwurzelt, waren als „Götzen- <lienst" verfehmt, mit ihrem Kult fielen nicht nur Altäre und Bilder, ,sondern auch die nach ihnen benannten Bruderschaften. Mit dem ge- schwundenen Glauben an die Verdienstlichkeit der guten Werke er- starb in kürzester Zeit auch die Stiftungs- und Gebefreudigkeit des Volkes. Die Zechen als Gewerkschaften bestanden selbstverständlich weiter, beschritten aber, losgelöst von der Kirche, , den Weg der Ver- weltlichung. Bruderschaft, Benefizium und häufig auch Vermögen und Einkünfte waren „abgekommen". Ganz ausgetilgt war der Bruderschaftsgedanke nicht. Doch war es -eine ganz große Seltenheit, wenn 1570 die Leinenweber von V ö c k 1a- m a r kt im Liebfrauengotteshaus daselbst und zu Ehren der hl. Jung- frau Margareta eine „löbliche Zöch mit Kerzen und andern Zieren und Ordnungen" aufrichteten 847 ) . Auch dürfte Propst Michael I. Schmuck.er von Schlägl (1568-1575) zur Blüte der Marienbruderschaft in Rohr- bach nichts beigetragen haben. . Die Bruderschaft ließ 1574 die Pfarrkirche von Rohrbach mit Gemälden schmücken und verewigte 847 ) Scheibelberger F., Beiträge zur Geschichte des Marktes und der Pfarre Vöck lamarkt, LMB., Bd. XXVI (1866), S. 156.

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