Karl Eder - Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung

262 die Kirchfahrten dieser Zeit neben einem eigentümli chen Wander- trieb lebhaft e Vorliebe für Heiligen- und Reliquienverehrung, aber auch echten Gebets- und Bußgeist. Nicht zul etzt st eckte ; in diesem Bewegungs- und Betätigungsdrang überschüssige Kraft , die nicht in äußere Mission überströmen konnte und daher durch Rückstauung inneren Druck und Spannungen erzeugte. V. Der Gemeinschaftsgedanke: Bruderschaften und Zechen. 1. Wesen und Unterschiede der zwei Hauptformen. Zum Bilde des kirchlichen Lebens um 1500 gehören a ls wesent- licher Bestandteil die Bruderschaften und Zechen, Schöpfungen des mittelalterlichen Gemeinschafts- und Ständegedankens. Es kommen zwei Grundformen vor, der en jede zwei Abarten aufweist. Die Brud e r- s c haft e n mit r ein religiös-kirchlichen Zwecken, wie die Corpus- Christi- oder die Allerseelenbruderschaften oder kirchliche Bruder- schaft en, welche bestimmte wirtschaftli che Aufgaben für , das Gottes- haus oder sozialkaritative Zwecke übernahmen wie die meisten Lieb- frauen- oder die Sebas tianibruderschaften. Sodann die Z e c h e n, die ursprünglich Standesvereine der verschiedenen Handwerkszweige wa- r en. Sie konnten entweder auch Bruderschaften sein, so daß dieselbe Vereinigung als wirtschaftlicher Körper „Zeche", als religiöser Verein „Bruderschaft" in einem war oder aber eine reine Standesgruppe mit g·leichen wirtschaftli chen Interessen. Für diese letztere Art bildeten sich die Bezeichnungen „Zünfte", ,,Innungen" und „Gilden" heraus. Beide Grundformen flos sen manchmal ineinander über, in den Städten waren die Zechen fast immer zugleich Bruderschaften. Man sprach z. B. von einer „Schneiderbruderschaft S. Trinitatis", von einer „Erasmus- Schusterbruderschaft " oder „Niklaszeche der Flözer" . Auch gab es wohl keine rein wirtschaftli che Standesorganisation; die ni cht durch einen Gottesdienst und die Teilnahme am Fronleichnamsfes t di e Zu- gehörigkeit ihrer Mitglieder zur Kirche bekundet hätte. Dennoch be- stand nach Aufbau und Zielsetzung ein w e s e n t 1 i c h e r U n t e r- s c h i e d zwischen den beiden Hauptformen. Die B r u d e r s c h a ft e n hatten sich die Pflege des Go ttesdienstes und des Gotteshauses, die Verehrung der hl. Eucha ri stie oder U. l. Frau oder bes timmter Heiliger durch Andachten, die Stiftung und Erhaltung eines Altares, die Gründung eines Benefiziums oder die Abhaltung regelmäßiger Bruderschaftsgo ttesdienste zur Aufgabe gesetzt. Die ein- zelnen Stände hatten ihre Standespatrone und es versteht sich von selbst, daß dieser besonders bevorzugt wurde. Altar, Benefizium, Hei- ligenverehrung und Bruderschaft hing·en auf das engste zusammen. In- folge der ähnli chen ständischen Gliederung in den Städten entsprach das Bild der Bruderschaften einer Stadt häufig dem einer anderen Stadt. Die meisten Bruderschaft en nahmen auch „Schwestern" auf. Auch r ein religiöse Bruderschaft en hatten in der Reg·el eine Aufnahme- taxe und einen klein en Mitgliedsbeitrag·. Pflichten (gewisse Gebete, Beteiligung an Gottesdiensten, Umgängen und Wallfahrten) und

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