Karl Eder - Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung

255 sind, so war das teilweise- auch ein Verdienst des Mannes, der die Passauer Domkanzel zu einer Stätte der Erbauung und ernster Ge- wissenserforschung gemacht hatte. Die Wahrnehmungen über die vorreformatorische Predigt im Land ob der Enns lassen sich in folgende Ergebnisse zu- sammenfassen. Man muß die äußere Stellung der Predigt, ihren inneren Gehalt und nicht zuletzt ihre Kraftwirkung, die aufs engste mit dem Leben und Beispiel der Prediger zusammenhängt , unter- scheiden. Die äußere Bechtsstellung der Predigt entsprach keines- wegs vollständig ihren wichtigen Aufg·aben. Es fehlte an der richtigen Bewertung der Predigt , an der Ausbildung tüchtiger Pre- diger und in der treuen- Verwaltung des Predigtamtes . Wir haben gesehen, daß manche Orte zur Selbsthilfe übergingen. Gerade dieser Umstand beleuchtet aufs klarste den Hunger des Vollrns nach dem Wort Gottes . Den Gehalt der Predigt darf man sich, gemessen an den Vorlagen, etwas gehobener vorstellen. Dank der Ordensreform und einzelner reformfreundlicher Männer läßt sich ein wertvoller Grund- gehalt der Predigt fes tst ellen. Zunächst überrascht die gute Schrift- kenntnis in beiden Testamenten und der Anteil der Schriftpredigt über- haupt. Dem Volk im Land ob der Enns wurde in den dreißig J ahren vor der Glaubensspaltung die hl. Schrift nicht vorenthalten. Verwertung fanden sodann die Kirchenväter, besonders Ambrosius, Aug·ustinus und Gregor d. Gr. , die Scholas tiker, besonders Thomas von Aquin und die Mystiker, besonders der hl. Bernhard. Die geistige Höhenlage war gewiß die der Spätscholastik. Die kirchlichen Klassiker studierte man meist aus kleinen Zurichtungen für die Praxis, ni cht aus den Quellen. Immerhin überragten einige Gestalten, wie Dr. Paul Wann und Dr. Michael Lochmayr, erheblich den Durchschnitt. Der unkritische Geist der Zeit vermischte freilich die Heilstatsachen mit Geschichten, Leg·enden und Mirakeln und versetzte dadurch die Werthältigkeit der Predigt. Bemerkenswert ist ferner, daß auch in der Volkspredigt keineswegs die indirekte Gottesverehrung vorherrschte, wenngleich un- kritische Verwertung der Heiligenleben, die Unfähigkeit, zwischen Ge- schichte und Geschichten zu unterscheiden und Übertreibungen in der Heiligen- und Reliquienverehrung den Wert des religiösen Volksunter- richtes schmälerten. Der schlimmste Schaden erwuchs der Predigt m. E. aus der schlechten Vorbildung und gelockerten Zucht desjenigen Teiles des Klerus, in dessen Händen das Predigtamt tatsächlich zum g-rößten Teil g·elegen war. Wie erwähnt, schoben die Pfründeninhaber die Predigt häufig den Gesellpries tern oder Personalkaplänen zu. ü ber die Zustände in dieser Gruppe des niederen Klerus wird die vorliegende Arbeit weiter unten eingehend berichten. Nicht der Ausfall der Predigt. oder deren minderwertiger Inhalt, wohl aber die allg·emeine Kirchen- lage, der Ausfall tüchtiger „Vorg·eher" und des guten Beispieles im. höheren und t eilweise im Seelsorg;sklerus mußte die Predigt um den1 größeren Teil ihrer Früchte bringen. Denn darüber kann kein Zweifel herrschen, daß die Grundüberzeugung von der Notwendigkeit einer-- Kirchenreform auch bei den Besten im Lande bestand.

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