Karl Eder - Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung

253 auf der Passauer Diözesansynode von ,1471 forderte er die versammelten Kleriker in ergreifenden Worten auf, die Würde des Standes zu be- denken und die anvertraute Herde durch gutes Beispiel zu weiden. Den anwesenden Bischof bat er mit Freimut, in die Fußstapfen Christi zu treten, der sein Leben für seine Schafe hingegeben habe. Eine Bursenstiftung in Wien, die er 1484 noch mit einer Zustiftung bedachte, zeigt, daß Dr. Paul Wann die tiefste Wunde der Zeit, die gesunkene Zucht und Bildung ües Klerus klar ,erkannte. Die Stiftung hatte nur Priesterberufe im Auge und zwar sollten Kandidaten mit guten Anlagen für das Predigtamt aufgenommen werden, die imstande wären, später als Führer des Volkes wirksam gegen die Schäden der Zeit aufzu- treten. Zwei Stipendiaten sollten der Verwandtschaft des Stifters, einer der Passauer Bürgerschaft entnommen werden. Der Freimut, mit dem Wann in Wien und Passau die Gebrechen der Zeit und der beiden Städte geißelte, erinnert an die großen Bußprediger des deutschen Volkes. Gegen Genußsucht und Luxus, Geldgier und Wucher, Unzucht und Aberglaube zeigte der Prediger auf die ewigen Wahr- heiten der Relig·ion und ihre höchste Entfaltung in der Heilsbotschaft Christi. Wanns Predigten wurden wegen der Fülle reifer Gedanken und infolge der ,klaren Durcharbeitung überaus stark vervielfältigt 751 ). Von Passauer Predigten Wanns sind allein folgende bekannt: 1460 64 Predigten über Sonntags- und Festtagsevangelien, 1461 63 Predigten über Sonntags- und Festtagsepisteln. 1462 hielt Wann sicher in der Karwoche Predigten, 1466 predigte er über die 9 fremden Sünden, 1468 hielt er 42 Vorträge über di e Heiligen und 1 19 Ansprachen über die Be- wahrung vor der Sünde. Außerdem predigte er in Passau über die Abllfßlehre, über Tanz, Gesang und Musik. Die lateinischen sermones sind größtenteils für Universitätsvorlesungen angefertigt und wurden von Schülern und Klerikern mitgeschrieben und vervielfältigt. Vier Pre- digtsammlungen752) wurden g·edruckt, erlebten zahlreiche Auflagen und fanden ihren Weg auch in die obderennsischen Klosterbüchereien. Unter den Schlägler Inkunabeln z. B. stehen zwei Ausgaben der XIX sermones de praeservatione hominis de peccato 1485 753 ), die sermones de tempore in evangeliis 1497 754 ) und dreimal die sermones des Michael Loch- mayr zugl eich mit den XXIII sermones de sanctis Pauli de Wann 755 ). 701 ) Zacher F., a. a. 0., S. 22, sagt : ,.Es mag wohl zu Lebzeiten Wanns und nach ihm in Osterreich und Bayern kaum ein Kloster gegeben haben, das nicht die einen oder anderen seiner bändereichen sermones erworben hätte. " Die Hss.- Abteilung der Münchner Staatsbibliothek besitzt allein 43 Wannsche Predigt- kodizes, eine größere Anzahl steht auch in der Wiener Nationalbibliothek. In obderennsischen Klöstern befinden sich Predigt Hss. des Wann z. B. in St. Flo- rian und zwar Hs. 99, tractatulus de indulgentiis angezogen, Hs. 232, sermones de sanctis, Hs. 241 sermones de sanctis, Hs. 329 sermones de tempore, Hs. 227 ser- mones de sanctis u. a. Czerny A ., Die Hss . der Stiftsbibliothek St. Florian. "') Sermones LXXIV de tempore, sermones XXIII de sanctis, se,rmones XIX de praeservatione hominis de peccato, sermones CXXIII de septem vitiis crimi- nalibus eorumque remediis . "') Schlägler Inkunabeln 75 und 76. Beide gedruckt Norimbergae. Fratres ord. Erem. S. Aug. Quart. Indra G., Catalogus Incnn. Plagensinm, pag. 11. 754 ) Schlägler Inkunabeln 172. Indra G., 1. c., pag. 22. ,,.) Schlägler Inkunabeln 187 u. 191 von 1500, 246 von 1507. Indra G., 1. c ., pag. 58.

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