Karl Eder - Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung

249 A u e r etwas schärfer ins Auge sehen. Der aus Schärding gebürtige Verfasser war 1466 in Suben eingetreten, hatte jedoch das Stift nach Zerwürfni ssen mit .St. Florian vertauscht, wo er 1477 ordiniert wurde. Sein Leben als Mensch und Seelsorger legte Auer in einem Kodex nieder 730 ), der auch eine große Anzahl lateinischer Predigten enthält. Als Quellen der Predigt gibt Auer Nikolaus von Dinkelsbühl, Johannes. Nider, Hugo de pratis und Johannes Herolt an. Er benützte außerdem Notizen aus Augustinus, Bernhard, Albert d. Gr. und Thomas von Aquin, eine Reihe aszetischer Werke und Exempelbücher. Die litera- rischen Behelfe boten ihm nach seinem Geständnis die Stiftsbibliothek und die kleinen Büchereien seiner Amtsgenossen. Einige Predigten wurden 1482 und 1486 gehalten. Ein bemerkenswertes Beispiel guter Predigtart von damals ist u. a. eine Fest predigt am F 1 o r i an i- t a g 737 ). Wenn es wahr ist, daß man •einen Kanzelredner am besten an einer Gelegenheitspredigt erkennen kann, so ist Auer oder wer der Prediger dieser Florianipredigt war, als tüchtiger Prediger zu bezeich- nen. Der Redner führt das Thema: ,,Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben (Joh. XV, 5)" so 'durch, daß er einen dreifachen Weinstock, den göttlichen (Christus), den menschlichen (die Weisheit, nach Eccles . XXIV, 23) und einen mystischen (die Kirche) unterscheidet. Das Leben des hl. Florian erläutert als Beispiel ohne Aufdring·lichkeit die drei Abschnitte. Die Auffassung· des hl. Florian folgt der Haustradition und der Legende. Die Kirche hat nach dem Redner zwei Seiten, Ge- rechtigkeit und Barmherzigkeit. Der Kürze halber spricht er nur über die Gerechtigkeit der Oberen geg·en die Untergebenen und von der Notwimdigkeit dieser Tugend für alle. Das Beispiel des hl. Florian beleuchtet wiederum die Worte. Der hl. Martyrer wird um Fürbitte angerufen, daß Gott den Menschen das Heilsnotwendige für Zeit und Ewigkeit zukommen lasse. Diese Predigt am Florianipatrozinium ist wohldurchdacht, gut gegliedert und auf der Grundlage eines Evan- geli entextes mit trefflicher Schriftkenntnis und Anziehung der Väter und Kirchenlehrer durchgeführt. Daß der Prediger Christus in den Mittelpunkt rückt und den Heiligen des Festes lediglich zur Veran- schaulichung heranzieht, spri cht von der richtigen Auffassung der Heiligenverehrung. Ist auch dieser sermo kein Meisterstück, so kann er sich als gute Leistung immerhin sehen lassen. Wir dürfen in ihm wohl den Durchschnitt einer Festpredig·t, die auf Gäs te und eine breitere Zuhörerschaft Bezug· nimmt, erblicken. Aus demselben Kodex ersehen wir die Gebete und Bitten am Schluß einer S onnta g· s predigt, die nach Inhalt und Umfang eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Glaubens- und Sitten- lehren darst ellten. Diese regelmäßige Auffrischung des religiösen Abc .an Sonntagen war der eigentliche Religionsunterricht der Pfarr- gemeinde in der Zeit vor der Glaubensspaltung, Er beg·ann mit der Verkündigung der heiligen Zeiten der kommenden Woche, d. h. der 73 ') Pp. Cod. 350 der Stiftsbibli othek St. F loria n, geschri eben c. 1477- 1489. 737 ) Abgedruckt bei Czerny A ., Au s dem geis tli chen Geschäftsleben in Ober- österreich, S. 8G ff .

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