Karl Eder - Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung

247 tmnsischen Landstände enthalten bezüglich der Messe nur den Vor- wurf der Überforderung der Laien mit Seelgerät und Stolgebühren. Erst nachdem die Prädikanten dreißig Jahre lang das Schlag·wort von der Messe als „papistischer Abgötterei" in das Volk geworfen hatten, be- gann au<ili im Land ob der Enns der Sturm gegen Opfer und Altar. Auffallend bleibt jedoch die Tatsache, wie rasch die reiche Meß- stiftungstät.igkeit des Volkes zum Stillstand gebracht werden konnte. Neben der Christuspredigt steht die He i 1i gen predigt, welche an den zahlreichen Heiligenfesten unter Bezugnahme auf die besonderen Heiligen des einzelnen Gotteshauses dem Volke das Leben der hl. Männer und Frauen darstellte und zur Nachahmung und Ver- ehrung· derselben anspornte. Die sermones über die volkstümlichen Heiligen Leonhard, Christophorus, Erasmus, die hl. Anna, Dorothea, die 14 Nothelfer u. a. zeigen einen stark legendären Einschlag, ja sie sind .teilweise gepredigte Legende, in der das Mirakel eine Hauptrolle spielt. Hochragend und alle anderen Gestalten weit hinter sich lassend, erhebt sich aus der Schar der Heiligen Unsere liebe Frau. Die Marie n- p red i g t nimmt den breitesten Raum und die bevorzugteste Stelle -ein. Diese Arbeit hat bereits auf die blühende Liebfrauenverehrung im Land ob der Enns hingewiesen und wird das Gesagte bei dem Abschnitt über die Bruderschaften noch ergänzen. Die vielen Liebfrauenkirchen und -kapellen, die Fülle der Marienaltäre und -andachten sind nicht -denkbar ohne regelmäßige Marienpredigt. Als Vorlagen dienten Ger- son, Pelbart, Biel, Bustus, besonders Nider und Herolt. Der Domini- kaner Johannes Nider (t 1438) hatte unter seinen 32 Heiligenpredigten 4 Marienpredigten, sein Ordensbruder Johannes Herolt (t 1468) unter 48 Heiligenpredigten gleichfalls vier Marienpredigten. Schon vor 1500 waren 50 Ausgaben seiner Predigten erschienen. Herolt bezeichnet die .Marienverehrung stets als „adoratio", unterscheidet jedoch drei Arten der adoratio . Die erste gebühre Gott allein, die zweite Maria, die dritte den Heiligen. Immerhin war der Ausdruck mißverständlich und konnte im Munde unerleuchteter Prediger beim Volke irrige Meinungen auf- .kommen lassen. Herolt selbst warnte, vermutlich unter Bedacht auf die zahlreichen Schutzmantelbilder und auf g·ewisse volkstümliche An- dachten, vor dem Glauben, als sei die „Mutter der Barmherzigkeit" barmherziger als ihr Sohn. J esus sei als Gott unendlich barmherzig, _aber auch Richter. Maria verwalte nur das Amt der Barmherzigkeit, nicht das der Gerechtigkeit 1 " 2 ). Ohne Zweifel gingen bes. nach 1500 Predigten, Gedichte, Gebetbücher (z. B. Hortulus Mariae, Horae B. Mariae V.) in manchen Wendungen zu weit, besonders die humanisti- schen Bezeichnungen dea und diva konnten arg mißverstanden wer- den733). Luther griff bekanntlich diese Bezeichnungen scharf an 734 ) und _hatte in Linz einen treuen Nachsprecher in seiner Bewertung der Marien- '3') Beissel St., , Geschichte der Verehrung Marias in Deutschland während des Mittelalters, S. 505. 733 ) So der Nürnberger Benediktiner Ch elidonius im Text zu Dürers Marien- leben von 1511. Vergl. Beissel St., Geschichte der Verehrung Marias im 16. und 17. Jahrhundert, S. 105 f. 73 4 ) Der ältere Luther unterscheidet zwischen Maria, der „höchsten Fra u auf Erden" , dem „edelsten Kleinod nach Christo in der ganzen Christenheit"

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