Karl Eder - Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung

246 dominicales halten den sermones de sanctis ungerähr das Gleichgewicht. Die ];'ostillen zeugen sowohl von reger Benützung der Schrift wie von ilem engen Zusammenhang zwischen Sonntag·spredigt und der Bibel. Im Rahmen des Kirchenjahres ist die Fastenzeit mit den sermones qua- dragesimales ein Höhepunkt der Predigttätigkeit und inne1>halb der Fastenzeit tritt die Passion des Herrn als vornehmster Gegenstand der Predigt hervor. Außer diesen Tatsachen aus dem Leben des Heilandes sind Epiphanie, Coena Domini, Auferstehung des Herrn, Corpus Christi ebensoviele Lieblingsgegens tände der Predigt. Nimmt in der religiösen Unterweisung des Volkes die C h r i s t u s p r e d i g t noch die zen- tralste Stellung ein, so gilt ähnliches nicht mehr von der Behandlung der Me s s e in der Predigt. Das Versagen der Kanzel in dieser religiösen Kernfrage hängt ohne Zweifel stark mit der niedrigen theolog·ischen Bildungsstufe des Klerus zusammen. Auch in diesem Falle scheint das auslaufende 15. J ahrhundert besser bestellt gewesen zu sein, als das erste Viertel des 16. J ahrhunderts. Wenn größere Mißbräuche in der Feier der Messe im Land ob der Enns nicht -nachweisbar sind, so ist das ein Verdienst der Ordensreform des 15. J ahrhunderts. In Mondsee hielt in der ersten Hälfte des 15. J ahrhunderts ein Wiener Theologe Vorlesungen über die Messe 728 ) . Im dritten Viertel desselben Jahr- hunderts verfaßten Bernhard von Waging 729 ) und sein Freund der Melker Benediktiner Johannes Schlitpacher 739 ) Bücher über die Messe . Der bekannte Mondseer Schriftsteller Hieronymus von Werdea (Donau- wörth) schrieb gleichfalls ein Büchlein über die Messe. Diese in die Büchereien eingestellten und fleißig gelesenen Werke konnten nicht ohne gute Früchte bleiben. Selbstvers tändli ch fehlten in den Biblio- th eken nicht die älteren Schriften über die Messe, bes. des Berthold von Regensburg· 73 '). Leider strömte diese Tätigkeit gelehrter und from- mer Männer nicht im gleichen Grade in die Volkspredigt über. Hier liegen schwere Unterlassungssünden vor, die mit der g·anzen Lage der Predigt zusammenhängen. So unbes tritten die Wertschätzung des hei- ligen Meßopfers war und so schrittweise nur die Umwandlung der Messe später in die „neuen Zeremonien" gelingen wollte, so gilt doch auch für das Land ob der Enns das Urteil, das Franz am Schlusse seines g-roßen Werkes über die liturgische Predigt des 15. Jahrhunderts fällt, daß sie nämlich zu trockenen, oft mit abergläubischen Meinungen und fragwürdigen Wundergeschichten vermischten Wiederholungen schulgemäßer Erklärungen herabsank, daß das beliebte Thema von den Meßfrüchten durch Einseitigkeit und Übertreibungen irreführen konnte und daß die Mißbräuche, deren sich der Klerus daran schuldig machte, nicht ohne Einfluß auf den raschen Fortgang der großen kirchlichen Revolution des 16. J ahrhunderts blieben. Die gravamina der obder- 72 8) Franz A., Die Messe äm deutschen Mittelalter, S. 566. 729 ) Der a ls Gehilfe des Kard inals Nikola u s Cusanus bekannte Pr ior voll. Tegernsee (t 1472) . 739 ) t 1482. Kropf, Bibliotheca Mellicensis (Vindob . 1747) pag. 369 s . Keib- 1inger F., Geschichte des Benediktinerstiftes Melk , S 1• 572 ff . und Zibermayr I., Johann Schlittpachers Aufze ichnungen a ls Visitator der Benediktinerklöster in der Salzburger K irchenprov inz, MJöG., Bd. XXX (1909) , S. 258 ff . ' 31 ) U. a.. 2 Hss. von F l orian s. XIV und eine Hs. von Baumgartenberg. Franz, a.. a. 0 ., S. 645.

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