Karl Eder - Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung

238 sellenstandes mit ungelehrten Priestern und der dadurch entstandenen Verkümmerung des Wortes Gottes. Garsten entschuldige· sich mit der Verminderung des Lohnes und der Gaben der Pfarrleute an die Ge- sellen. Zur Behebung des Schadens hätten die Vorfahren im Advent oder in der Fastenzeit gelehrte Franziskaner berufen. Als der Stadtrat nach dem Weggang des Calixtus und der ·Abberufung des Pfarrers M. Michael Forster nach Garsten 1527 dem früheren 'Gesellpriester Johann Weinberger das Forsterbenefizium übertrug und den Genannten zum Prediger bestellte, nannte der Administrator von Passau in seiner Ver- wahrung an Steyr diesen Vorgang einen Eingriff in seine bischöflichen Rechte 030 ) und bemerkte, sie hätten, soviel er wisse,, bisher an der Verkündig·ung des Wortes Gottes keinen Mangel gehabt und keine Anzeige gegen den Pfarrer wegen Nachlässigkeit gemacht 040 ) . Dieser Sachverhalt ist neben einem wahren Kern der Darlegungen Steyrs mög- lich. Die Berufung fremder Prediger in eine Stadt, deren Hauptkirche den Benediktinern zustand und 'die innerhalb ihrer Mauern ein Prediger- kloster barg, ist auffallend. Noch auffallender aber ist die Tatsache, daß in Steyr wie in Enns die Predig·t hauptsächlich den Gesellen zufiel und daß deren Versagen mit den Besoldungsverhältnissen in Zu- sammenhang g·ebracht wird. Die sehr unklaren Rechtsverhältnisse in dieser Schicht des Klerus, der mangelhafte Bildungsgang, die vielfache Beschäftigm1gslosigkeit, verbunden mit ewiger Wanderschaft durch die verschiedensten Diözesen, läßt im vorhinein nicht die Vorstellung ge- sunder Zustände aufkommen. Die tatsächliche Zuweisung des Predigt- amtes an diese Gesellpriester mußte die Predigt inhaltlich und in ihrer äußeren Stellung gefährden. Als Ergebnis steht fest, daß die vorreformatorische Predigt im Land ob der Enns eine recht mittelmäßige Stellung· innehatte. Infolge der vielen Feiertage wurde zwar häufig gepredigt, da aber bei dem Oberpfarrersystem die Predigt tatsächlich den Gesellpriestern anver- traut war, lag· sie in den schwächsten ·Händen. Ihre rechtliche Stellung als Pfarrecht schloß die große Anzahl der Benefiziaten im allgemeinen vom Predigtamt aus und schützte sie gegen eine Predigtverpflichtung. Verschiedene Anzeichen, besonders in den Städten, lassen erkennen, daß die Bürgerschaft ang·esichts des Darniederliegens der Predigt zur Selbsthilfe schritt. Der große Hunger nach dem Wort Gottes im Volke ist die schönste Lichtseite dieser Frage, die nicht auf die Habenseite des kirchlichen Lebens von 1490-1525 gehört. Es bleiben noch die Fragen zu beantworten, was wurde gepredigt und wie wurde gepredigt? Machten der innere Gehalt und die redne- rische Form die mindere äußere Stellung der Predigt wett oder ver- g-rößerten sie den Mangel? Mit der Beantwortung dieser wichtigen Fragen ·begibt sich die Untersuchung auf ein größtenteils ungerodetes Neuland. 689 ) Auch Abt Pankraz von Garsten spricht 1527 Dezember 12 von Juri sd ik- tionsverletzung. Abschrift in den Garstner Akten Bd. LXIX. 0 • 0 ) Das Schreiben von 1528 Neujahrsabend bei Czerny A ., a. a. 0., S . 42, Anm.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2