Karl Eder - Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung

234 liehen um die Sicherung der Ablaßgelder für die Zwecke der eigenen Länder bewegte. III. Die vorreformatorische Predigt im Land ob der Enns 1490-1525. A. Ihre äußere Stellung und Bedeutung im Rahmen der Seelsorge. 1. Die Predigt um die Zeitenwende. Die Predigt zwischen 1490-1525 nimmt nicht mehr die Stellung· vor der Erfindung der beweglichen Lettern, aber noch nicht den Stand- platz nach der durch die Glaubensspaltung entfachten Massenerzeu- gung von Bibeln, Traktätchen und Flugschriften ein. Sie zehrt noch von der Rolle der Vorzeit, der religiöse Volksunterricht schlechthin zu sein, beg'innt jedoch bereits unter der Einwirkung der gewitterschwan- geren Zeitlage eine neue Stellung zu beziehen. Di e früh ere einzige Quelle für die Vermittlung relig·iöser Kenntnisse wird eine Quelle neben anderen, neben das Wort tritt der Druck. Dagegen entfesselt ein neuer Umstand das Interesse aller Kreise des Volkes an der Kanzel aufs höchste, es ist die immer schärfer klingende Kritik der Prediger an den kirchlichen Zuständen und die bekannte Tatsache, daß die religiöse Neuerung dem Volke vielfach von den Kanzeln der alten Kirche herab verkündet wurde. Trotz der wesentlichen Bedeutung der Kampfliteratur für die Umgestaltung der Verhältnisse .waren die Sturm- truppen die Prädikanten. Die weitere Entwicklung verlegte den Schwer- punkt vom Altar zur Kanzel, das Mysterium der Messe wich der Bibel, aus dem Priester wurde der Diener am Wort. Wir Menschen einer ganz an- deren Zeit können uns heute kaum mehr eine Vorstellung davon ma- chen, was an jenem Zeitenumbruch der Predigtstuhl bedeutete. Er war Stätte der Belehrung und Erbauung, aber auch der Ort, von dem herab die in ihren religiösen Gefühlen verletzten Christenmenschen ihr eige- nes Wehe über die Schäden und Ärgernisse in Welt und Kirche aus dem Munde entflammter Prediger vernahmen, wo die Drohreden der Propheten mit den geheimnisvollen Gesiebten der Apokalypse um die Wette leuchteten und mit dem dräuenden großen Unbekannten, das heraufzog, in Beziehung gesetzt wurden, die Stelle, von der es hinaus- gerufen wurde, jetzt ist die Veränderung der christlichen Religion da, nach der wir gelechzt. Feuerzeichen und Funken ungeheurer Vorgänge umsprühten die Kanzeln wie kaum im Zeitalter der Kreuzzüge. Die un- beschreibliche Erregung aller Kreise schäumte sturmgepeitscbt von den Predigtst üblen hernieder, um die sich früher eine fri edliche Zuhörerschaft geschart hatte. Alle Leidenschaften der Zeit stiegen hinauf und schrien ihre Anklagen und Rechtfertigungen hinaus und unten standen nicht mehr Hunger und Durst nach Gottes Wort allein, sondern Neugierde, Parteinahme und Haß. Im Land ob der Enns verliefen diese Vorgänge gedämpfter und in den Jahren 1490-1525 zunächst nur in den An- fängen . Indes zeigen die Predigten der Barfüßer Br. Patrizius und Br. Calixtus im allzeit unrubig·en Steyr 1520 und 1525, sowie das Echo,

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