Karl Eder - Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung

------ --- --- 215 -scharfen Trennung·sstrich zwischen christlichem und heidnischem Geist. Der unausrottbare Trieb zum Geheimnisvollen und Zauberhaften durch- bricht immer wieder die Schranken des Christentums, so daß dieses täglich aufs neue gegen nacktes Heidentum anzukämpfen hat. So untersagt z. B. die Passauer Synode in Zukunft unter Strafe die Weihe von Blasius- und Stephanswasser wegen der Gefahr für Einfältige zu Aberglauben und Abgötterei und duldet das Räuchern in den Häusern um Weihnachten und an einigen anderen Festen nur, wie es die ganze Kirche duldet. Mißbräuche und Zauberei mit dem Kruzifix am Kar- freitag in den Kirchen des Landes ob der Enns tadelt die Visitation von 1528, wo das am Boden liegende Kruzifix mit Eiern, Brot, Käse und anderen Dingen bestrichen wurde. In den weitaus meisten Fällen sind die kirchlichen Benediktionen und Gebräuche Mittel !zur Weckung und Regung echten religiösen Sinnes und spielen im Alltag der christlichen Pfarre eine wichtige Rolle. II. Das Ablaßwesen. 1. Die Bedeutung der Frage. Die Verknüpfung des Ablaßstreites mit dem Ausbruch der Glaubensspaltung in Deutschland 545 ) hat den vorreformatorischen Ab- laß und die Ablaßpraxis dieser Zeit in die Zone konfessionellen Streites gerückt, nicht zum Vorteil der geschichtlichen Erforschung des Ab- lasses. Die eine Seite verkannte das Wesen des Ablasses, der die Nachlassung· zeitlicher Sündenstrafen außerhalb des Bußsakramentes auf Grund der Erfülhmg gewisser von der Kirche gesetzter Bedin- gungen ist. Man verwechselte zeitgeschichtlich bedingte Formen mit dem Kern der Sache und setzte tatsächliche Mißbräuche in der Ablaß- praxis mit dem Wesen des Ablasses gleich. Die andere Seite unter- schätzte den Umfang der Auswüchse und die Überbetonung des Wertes des Ablasses samt den Rückwirkungen dieses Zustandes auf Kirche und Volle Umso g rößer ist die Pflicht der streng geschichtlichen For- schung, alle erreichbaren Quellen dieser Frage heranzuziehen und un- beirrt durch Zu- oder Abneigung ein Bild der geschichtlichen Wahrheit zu geben, das der Wirklichkeit mög·lichst angenähert ist. Zu diesem Behufe ist die Erforschung der Ablaßgeschichte der einzelnen Diözesen unerläßlich, leider aber größtenteils ausständig. Das bewundernswerte Hauptwerk von Dr. Nikolaus Paulus, Die Geschichte des Ablasses im Mittelalter, bedarf weitgehender Ergänzung·en durch die kirchlichen Landesg·eschichten. Diese Arbeit berücksichtigt nur die Zeit von 1490 bis 1525 im obderennsischen Anteil der Diözese Passau, also nur einen Bruchteil in der Ablaßgeschichte des Landes ob der Enns"' 0 ). Der Ver- • 40 ) Göller E., Der Ausbr uch der Reformation und die spätmittelalterli che Ablaßpraxis . Freiburg 1917. 540 ) Aus dieser Begrenzung mußte der Verfasser zahlreiche hochinteressante Ablaßurkunden, die ihm bei seinen ausgedehnten Archivforschungen unter die Augen kamen, leider unberücksichtigt las sen. Die Geschichte des· Ablasses im Land ob der Enns wäre Gegenstand einer eigenen großen Arbeit der Kirchen- geschichte.

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