Karl Eder - Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung

214 und 30., sowie Vigilien und Seelenämter an dreißig· aufeinander folgenden Tagen. An diesen Tagen ist ähnlich wie bei den Jahrtagen Grabbesuch (,,Begängnus" , ,,Prozeß") mit Placebo und häufig eine Spende an die Armen. In manchen Pfarren ist ein wöchentlicher Um- g ang auf dem Freithof mit Placebo Sitte 544 ) . Die Obsorge für das mit - gestiftet e Gebet, die schönen Grabplatten und Epitaphien, die vielen eig·enen Grabstellen und Sepulturen in P rivatkapellen, künden von treuer Liebe zu den Vorausgegangenen. Die Sperre eines fei erlichen Begräb- nisses oder gar die Verweigerung der „geweihten Erde" und der „christ- lichen Ehren" gilt als schwere Strafe. Die Stiftungen in der Todeskrank- heit und in Testamenten sind so groß, daß sich gegen das Übermaß von ., ,Seelgerät" und „Totenbriefen" der Hauptangriff der ständischen gra- -vamina richtet . Auch werden Klagen laut, daß die Geistlichen durch •die zahlreichen Begängnisse in fremden Orten von den eigenen Kirchen a bgezogen würden. Ein Zankapfel ist von jeher das Begräbnis der jählings Verstorbenen. Es scheint, daß für deren Beerdigung eine eigene Taxe eingehoben wurde, denn die Passauer Synode von 1470 verbiet et die Geldnahme für die Erlaubnis des Beg·räbnisses plötzlich Verschiedener, da das kirchliche Begräbnis ein geistliches Gut sei, rät aber zur Beredung der Verwandten für eine freiwillige Spende zugunsten des Passauer Domes. Verboten sind auch Abmachungen vor dem Be- gräbnis über Mittel, den Seelen der Verstorbenen zu Hilfe zu kommen. Sicher ist, daß die Totenfeier eine der allerstärksten Äußerungen des r eligiösen Lebens dieser Zeit war. 4. Eine Feierlichkeit im Gottesdienst stellen die B e n e d i k t i o n e n mit d e r Mon s tr a nz dar. Sie sind nicht nur bei Ämtern, Vespern, eucharistischen Prozessionen, sondern auch bei Flurumgängen in der Passauer Diözese gebräuchlich. Man trug bei bestimmten Gelegenheiten das Hochwürdigste Gut über die Saatfelder und an andere Orte, ja auch zum Feuer. Die Passauer Synode von 1470 verbietet diese eucha- ristischen Flurprozessionen wegen der damit verbundenen Unzukömm- lichkeiten, ebenso den Brauch, g·egen Donner und Blitz die Anfänge der vier Evangeli en nach den vier Himmelsrichtungen zu singen, weil dadurch Aberglaube und Abgötterei genährt würden. über Kreuzgäng·e und Umritte handelt diese Arbeit weiter unten. 5. Eine erschöpfende Behandlung der kirchlichen Benediktionen müßte ein g·anzes Passauer Rituale abschreiben. Ob es sich um Seg- nung·en von Menschen (z. B. von Wöchnerinnen), von Tieren (z. B. Pferden), von Pflanzen (z. B. Saaten) oder von Sachgegenständen (z. B. Speisen, Wachs, Wasser) handelt, immer sieht man, wie sehr die kirch- lichen Benediktionen mit dem menschli chen Leben und seinen Nöten zusammenhängen. Ältes tes Brauchtum und christliche Gedanken halten auf diesen Gefilden einander umschlungen und zeigen je nach der Seite, von der man sie bet rachtet, ein anderes Aussehen. Erdnaher Bauernglaube und urtümliche Volksreligion, geläutert durch das Licht des Christentums, beherrschen dieses Feld. Man sieht die behutsame Schonung alter Volksauffas sungen durch die Kirche, aber auch den " ' ) So z. B. iu Miiuzbach. Mi\uzbacher Urbar von 1517 im Diözesana r chiv.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2