Karl Eder - Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung

212 ob der Enns ist im 16. Jahrhundert für eine rechtsgiltige Ehe der Aus- druck 'gebräuchlich, ei.ne Frau „ze Kirchen und Gassen führen". In Adelskreisen verläuft zumindest in der zweiten Hälfte des g-Ieichen Jahrhunderts der Eheabschluß so, daß die Brautleute oder deren Eltern den Tag des Beilagers anzeigen. Erst am folgenden Tag sind Kirch- gang und Hochzeitsschmaus (die „hochzeitlichen Freiden"). Ohne Zweifel gilt schon ·.vor 1500 de1' formlose Eheabschluß {,,Winkelheirat") als bedenklich und die copulatio in facie ecclesiae wegen der Rechts- folgen als notwendig. Advent und Fastenzeit sind geschlossene Zeiten. Die Dispensen der Dechante um Geld werden 1518 zu Innsbruck an- gegriffen. Die Wiener gravamina von 1524 fordern, man solle es über- haupt nicht sperren, eine „ehrliche Heirat zu machen" zu den Zeiten, wo es verboten sein soll und man solle clie bisher um Geld ge- gebene Hochzeitserlaubnis umsonst geben. Das Konkubinat g·ilt als ,,unehrlich", cler Ehebruch als Delikt, das bei öffentlicher Kenntnis- nahme mit öffentlicher Kirchenbuße geahndet wird. Die Absolutions- gewalt der Dechante über reservierte Sünden erlischt für Konkubinarier und Ehebrecher. Die Erlaubnis der Pfarrer, öffentlichen Sündern Kirchenbuße aufzuerlegen und ihnen die Buße gegen eine Taxe zu be- scheinigen, bezeichnen die Landstände zu Innsbruck 1518 als Erlaubnis des offenbaren Ehebruchs um Geld. Das schlechte Beispiel des Klerus, der großenteils im Konkubinat lebt, ist 1518, 1524 und 1528 durch zahl- reiche zeitgenössische Zeugnisse einwandfrei erhärtet. Die Wiener gra- vamina von 1524, die allerdings bereits das Bild stark zersetzter Kirchenverhältnisse abspiegeln, befehlen zwar das öffentliche Zu- sammenleben von Geistlichen aller Grade mit ihren Dienerinnen wie mit Ehefrauen Gott und der Kirche, fordern aber für die Dienerinnen unterscheidende Kleidung und verbieten das öffentliche und wissent- liche Konkubinat (die „vnee") durchaus. Geistlichen und weltlichen Obrigkeiten wird die Wegschaffung solcher Leute aufgetragen. Es ist also zwischen heimlicher Ehe und Konkubinat wohl unterschieden. Un- verkennbar leistet jedoch die geübte Praxis der Auffassung der Ehe als eines weltlichen Dinges Vor~chub. Desgleichen wurzelt die spätere Forderung der Priesterehe bereits in unhaltbaren Verhältnissen vor der Glaubensspaltung. ·w enn· die amtlichen Klostervisitationen später aus- drücklich zwischen „uxores" und „concubinae" der Insassen unter- scheiden, so liegt ein Ansatz zu dieser Auffassung in der vortriden- tinischen Ehepraxis im allgemeinen. B. Zu einigen kirchlichen Benediktionen 542 ) . 1. Die rege Bautätigkeit zwischen 1490-1525 hat zahlreiche Ein- w e i h u n g e n v o n K i r c h e n u n d F r e i t h ö f e n im Gefolge, die meist der Weihbischof, ganz selten der Bischof und bei inkorporierten Kirchen ausnahmsweise der Abt vornimmt. Die Umbauten, Erweite- rungen, Restaurationen und Neubauten ziehen wie die vielen Altars- 542 ) Grundlegend Franz A., Die kirchlichen Benediktionen im Mittelalter, 2 Bände.

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