Karl Eder - Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung

205 nandeische Kirchenvisitation von 1528 heranzuziehen. Kirchliche Vor- schriften und Diözesanbrauch, Auswüchse und Mißbräuche werden an der Hand dieser Quellen sichtbar. Neben den sieben Sakramenten be- steht das noch größere und zutiefst mit Volksleben und religiösem Brauchtum verflochtene Gebiet der kirchlichen Benediktionen, der Weihungen, Segnungen und Beschwörung·en, das einen so reichen Er- trag für die Aufschließung des Volksglaubens und der Kulturgeschichte liefert. Doch verlangt der besondere Zweck dieser Arbeit in erster Linie eine Beschränkung auf das Notwendigste über die Sakramente, während aus dem Kreis der Benediktionen nur die wichtigsten heraus- gegriffen werden können. Die nachstehenden Ausführungen sind natür- lich keine geschlossene Darstellung der einzelnen Sakramente, sondern berücksichtigen nur gewisse, heute geänderte oder umstrittene Ge- pflogenheiten bei der Sakramentsspendung. A. Die sieben Sakramente. 1. Die Taufe. Die Taufe wird durch Untertauchen oder Begießen gespendet. Beide Arten der Spendung sind erlaubt und dürfen nach Ortsgepflogen- heit geübt werden. Der Täufer fragt um den Namen des Vaters, doch darf er dies niemals bei unehelichen Kindern tun, ,,damit kein Ärgernis herauskomme und verborgene Sünden nicht offenbar werden". Auf die Verbindung von Materie und Form bei der Taufhandlung ist genau zu achten. Auch das mit chrismiertem Wasser getaufte Kind muß nach der Taufe noch mit Chrisma gesalbt werden. Die Exorzismen für Knaben und Mädchen sind verschieden. Die Gläubigen sind zu unterrichten, da- mit sie im Notfalle selbst die Taufe spenden und Materie (das Wasser) und Form (die Taufworte) , richtig anwenden können. Die Taufformel soll bei jeder Predigt besonders an Sonntagen mit Pater, Ave, Credo und Dekalog dem Volke in der Muttersprache vorgesagt und ·;das Volk zum Auswendiglernen angehalten werden. Die richtige Verbindung von Element und Wort soll der Seelsorger besonders nach : jeder Not- taufe (,,Gachtauf") genau erforschen. War jene beobachtet, sind nur die Salbungen nachzutragen, wenn nicht, ist die Taufe ganz von neuem vorzunehmen. In der Taufe sind bei ehelichen und unehelichen Kindern die gleichen Gebräuche zu beobachten. Im Land ob der Enns hatte sich bei der Taufe von unehelichen Kindern außer dem kleinen Taufgeld für den Kaplan ein Taufgeld für den Pfarrer herausgebildet, von dem jedoch der Pfarrer be- gnadigen konnte. Das Taufwasser ist am Kar- und Pfingstsamstag mit Chrisam zu vermischen. Die Ersttaufe) mit dem neuen Taufwasser zu Ostern und Pfingsten (,,Eetauf") wurde vielfach abergläubisch auf- gefaßt, als ob sie wirksamer wäre. Im Land ob der Enns war bei diesem Anlaß ein höheres Taufgeld Sitte 5 '~), das später zu Stolbeschwerden Anlaß bot. Dieser Glaube war so eingewurzelt, daß die Visitation 1528 024 ) So z. B. in Münzbach 1517 24 d statt der üblichen 2 d. Münzbacher :Urbar von 1517 im Diözesannrchiv, Bd. XXXXII.

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