Karl Eder - Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung

180 Patrizierfamilien, die dem Kaiser Geld liehen, deren Töchter in das Frauenzimmer der Kaiserin genommen wurden, um später an arme Adelige verheiratet zu werden, bis zu den Handwerkern der kleinen Märkte, bestehen natürlich viele Unterschiede. Weniger das Gewerbe a ls der Handel und die Ausnutzung des Verkehres brachten Gewinn. Dies zeigen aufs deutlichste eine Reihe blühender Märkte, deren Be- wohnerschaft wirtschaftlich den Städten nicht nachstand. Ein Aus- druck der Wohlhabenheit ist nicht nur die reiche Stiftungstätigkeit, sondern das in Städten und Märkten am umsichtigsten geregelte Für- sorgewesen der Spitäler, Bruder- und Siechenhäuser. Immerhin zeigt der Bestand dieser Einrichtung·en die Tatsache hilfsbedürftiger Bürger. Es gibt keine Stadt ohne wenigstens ein Spital, während bei den Märkten Spitäler zwar nachgewiesen werden können, in anderen Fällen aber Spendtage die Fürsorge verkörpern. Ob das Fehlen eines wenn auch noch so bescheidenen Spitals als wirtschaftliche Schwäche des betreffenden Ortes oder als Ausdruck des Wohlstandes der Bürger, der eine solche Einrichtung überflüssig machte, gedeutet werden muß, könnte nur die genaue Untersuchung jedes einzelnen Falles ergeben. Zweifelsohne spielen örtliche Verhältnisse stark in die Entwicklung dieser Einrichtungen hinein, denn neben der Prunkstiftung im kleinsten Städt- chen Eferding stehen Spitäler, die als Lehen vergeben werden, z. B. Gmunden, und typische Armeleutstiftungen. Immerhin ist das Bild der Städte wenigstens insoweit einheitlich, als jede ihre Versorgungs- anstalt hat. Der gehobene Lebensraum der Stadt erhellt auch aus dem weitem ' Umstand, daß Widmungen für den Lebensaufstieg, wie Ver- mächtnisse für Schulen, Stipendien für auswärtige Studien und Hei- ratsstiftungen, in erster Linie Bürgerskindern zugute kamen. Die b ä u e r 1i c h e B e v ö 1 k e r u n g, der größte Teil der Lan- desbewohner, steht in verschiedener Abstufung als Bauern, Freieigner, Hofstätter (Söldner, Pointner), Huber, Vogtholden, Rechtlehner, unter weltlichen und geistlichen Grundherren, die mit Ausnahme eines Kloster- oder Schloßmeierhofes ihre Höfe zu Dienst- und Erbrecht ge- legt hatten. Die große Verschiedenheit dieser Bevölkerungsgruppe nach den Besitzverhältnissen ist um ein Vielfaches durch die in den einzelnen Herrschaften ganz anders gelagerten Rechtsverhältnisse ver- mehrt. War das Verhältnis zwischen Grundherrschaft und Holden an und für sich schon ein stiller, dauernder Wirtschaftskrieg, so verschärf- ten Beschränkungen der Rechtsfreiheit und Steigerungen der Herrenfor- derungen, besonders Robot und Freigeld, die gewöhnlichen an bestimm- ten Tagen fälligen Zinse, Dienste und. Giebigkeiten. Was hausgesessen war, lebte und ,starb am Hof oder auf der Point, der Rest fiel an das Armenrecht. Spitäler und Auszugshäuser von adeligen oder geistlichen Herrschaften scheinen in erster Linie den arbeitsunfähigen ausgedienten Angestellten der Schlösser und Stifte gedient zu haben. Die Beschwerden der Bauernschaft sprechen immer wieder von den Sorgen des „armen Mannes", für seine hart erzogenen Früchte einen entsprechenden Er- trag einzuheimsen. Mag sich auch unter dieser Redeweise eine ab- sichtlich unterwürfige Haltung verbergen, sicher besteht in der bäuer- lichen Bevölkerung eine ziemlich breite Schichte kleiner und kleinster

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