Karl Eder - Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung

178 Als Wecker dieser Überzeugung aber bestand der christliche Glaube. Sein belebender Odem ist es, der für die Armen die Ausspeisung, die Spendtage, in den Zunftordnungen die Beiträge für verarmte' Zunft- mitglieder, eine Armenkasse, den „g·emeinen Kasten" und zahlreiche Legate und Jahreserträgnisse in Testamenten und Stiftungen erwirkte, der für Wanderer und Reisende die Herbergen und Hospize schuf, der für die Kranken Siechen- und Sondersiechenhäuser, für die Alten die Spitäler und Bruderhäuser baute. Ein anderes Bild der Fürsorge als. heute bietet sich dem Beschauer dar. Weithin herrscht die Über- zeugung von der persönli chen Verpflichtung des Einzelnen, von seinem Überfluß zu geben und hierin besteht ein gewisser Druck und'. eine gewisse Überwachung von Seite der Allgemeinheit. Der Mahner ist das christliche Gewissen. Fiel dieses, so mußten di e Folgen schwer sein, auch wenn der Zwang des Staates an seine Stelle trat. Obwohl eine allgemeine Regelung der sozialen Aufgaben fehlte, so läßt sich doch in gewisser Hinsicht behaupten, daß es eine allge- meine Fürsorge gab. Sie war allgemein wie di e persönliche Religiosität allgemein ,var. 2. bie sozialen Verhältnisse im Land ob der Enns. Das kleine Land ob der Enns hatte infolge seiner wirtschaftlichen Struktur eirte e i g e n t ü m 1i c h g e s c h i c h t e t e B e v ö 1 k e- r u n g und daher ganz bestimmte soziale Aufgaben. Der größte Teil der Bevölkeruhg beschäftigte sich mit Landwirtschaft und stand unter adeligen und geistlichen Grundherrschaften. Die Bürgerschaft der Städte und Märkte trieb Gewerbe und Handel, war durch Privilegien begünstigt und hatte ihren Hauptumsatz auf den Märkten. Daneben be- stand ein starker Prozentsatz von Arbeiterschaft beim Eisen- und Salzwesen und den damit zusammenhängenden Gebieten der Wasser- verfrachtung und der Waldwirtschaft. Teilweise aus diesem Umkreis,. aber vermehrt und ergänzt durch Hilfsarbeiter und kleine Leute (das. ,,ledige Gesind") der übrigen Gruppen, erwächst jene Masse der Namen- losen, welche in der Sprache der Zeit „der gemeine Mann" heißt und die bei den großeh und kleineren sozial-revolutionären Zuckungen im Land ob der Enns eine Hauptrolle spielte. Dazu kommt von Zeit zu Zeit ein zwar kleiner, aber durch seine Eigenart umso gefährlicherer Bruchteil der Bevölkerung, die „Gartknechte", entlassene Lands- knechte, welche rudelweise das Land durchzogen und durch die stete- Türkengefahr im 16. Jahrhundert eine wahre Landplage wurden . Eine· gewisse Berührungsmöglichkeit mit der Außenwelt war der Einwohner- schaft des Landes stets durch di e zwei großen Verkehrslinien, die 'reich befahrene Donau und die ,vichtigste Nord-Südader, Freistadt-Maut..: hausen-Enns-Steyr, gegeben. Fügen wir noch hinzu, daß Linz als, Residenz Kaiser Friedrichs III. ein Anziehung·spunkt für Europa wurde, und in der inneren Gewichtsverlagerung des Landes sich allmählich fest zur Hauptstadt herausbildete, so sind alle für die Zusammen- setzung der Bevölkerung wichtigen Momente genannt. Das Bild ist: keineswegs einheitlich. Di eser Verschiedenheit entspricht auch die: v e r s c h i e d e n e s o z i a 1e L a g e d e r B e v ö 1k e r u n g.

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