Karl Eder - Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung

174 Hier sind Andenken an Palästina mit Andenken an Heiligengräber und auf den ersten Blick unechte mit möglicherweise :echten Andenken ge- mischt. Bei den Reliquien dieser Zeit sind grundsätzlich die in die Altarplatte eingelassenen Stücke von den auf dem Altar aufgestellten Schaureliquien zu unterscheiden, die in fei erlichen Umzügen gezeigt wurden und besonders in Deutschland mit Ablässen versehen waren. Eine Ausstattung dieser Reliquien mit Ablässen konnte ich für das Land ob ,der Enns nur selten nachweisen 400 ), häufiger Ablässe für den Besuch rvon Altären. Propst Peter von St. Florian suchte z. B. 1509 für seinen Lieblingsaltar die seltensten „Reliquien" zusammen, u.. a.: Von der Stelle des Ölberges, wo die Apostel schliefen, vom Stein, wo Moses den brennenden Dornbusch erblickte, von._ der Krippe, von der Stelle, wo der Herr gefangen wurde, vom Ölberg, von der Stelle, wo sich die Felsen spalteten, vom Töpferacker, und bewarb sich um verschiedene Ablaßbriefe . So verlieh Leo X. den Besuchern des Altares 1513 7 Jahre und ebensoviele Quadragenen Ablaß. Es müssen aber mehrere Ablässe vorhanden gewesen sein, denn eine schön verzi erte Holztruhe zur Auf- bewahrung der Urkunden trug die Inschrift: ,,Indulgencie altaris S. Se- bastiani. P. 1522 .P."u 0 ) . Der Glaube an die Schutz kraft d e r Re 1i q u i e n lebte._ un- gebrochen wie im Hochmittelalter in der Zeit des Humanismus und der Renaissance weiter. Schon Rudolf IV. hatte z. B. 1360 Juni 4 Leiber hl. Märtyrer zum Schutz des Landes ob der Enns erworben. Ähnliches schwebte Kaiser Maximilian I. vor, der bei seinem Aufenthalt in St. Flo- rian (1514 April 28 und 29) Propst Peter zur Nachforschung wegen der Gebeine des hl. Florian bewog 411 ). Wie einst Karl d. Gr. in der Ver- ehrung dieses hl. Kriegers einen Patron gegen die Avaren, erblickte Maximilian I. in ihm eine Schutzwehr gegen die Türken. Die Freude an solchen Andenken führte zu einer förmlichen Sammelwut, die im Bunde mit dem unkritischen Zeitgeist und der lebhaften Mirakelsucht • 0 •) Z. B. für den Altar .der Dreifaltigkeitsbruderschaft in Steyr 1496. Vergl. S . 173. Das Wiener Heiltumbüchlein von 1502 zählt wohl die zahlreichen Ablässe für den Besuch des Gottesdienstes in St. Stephan anf, meldet jedoch keine Re- Jiquienabl ässe. Dagegen wei st das Wittenberger Heilturnbüchlein von 1509 5005 in der Schloßkirche verwahrte Reliquien auf, die jährlich am Montag in der 3. Oster- woche in 8 Umzügeu öffentlich gezeigt wurden. Leo X . hatte den mit jeder Par- tikel ursprünglich verbundenen Ablaß von 100 Tagen und einer Quadragene auf 100 J ahre und 100 Quadragenen gesteigert. Dieser Ablaß wurde noch 1520 bei der Vorzeigung der Reliquien in Wittenberg verkündet. Da nach Angabe des kur- fürstlichen Sekretärs Spal atin aber 18.855 Stücke vorhanden waren, konnte man einen Ablaß von fast 2 Millionen Jahren und ebensovielen Quadragenen ge- winnen. Die 7118 Reliquien des Domes zu Magdeburg trugen fast 50.000 Jahre Ab- l ässe, die 8133 Partikeln und 42 ganzen Heiligenleiber der neuen Stiftskirche in Halle durch die Bemühungen des Kardinals Albrecht von Mainz fast 40 Millionen Jahre und 6 1 /2 Millionen Quadragenen. Paulus I • erklärt in seiner Geschichte des Ablasses am Ausgange des Mittel alters , Bd. III, S. 292: ,,Nicht mit Unrecht hat man in Hinsicht auf derartige Übertreibungen von einem ,Mißbrauch des Heiligen' gesprochen, der nicht zu entschuldigen sei." 41 0) Czerny A., a. a. 0., S. 111 f. und 96. 411 ) Die Nachsuche , für die der Kaiser dem Propst ein päpstliches Breve- erwirkt hatte, blieb erfolglos. Czerny A ., a. a. 0., S. 81 f.

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