Karl Eder - Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung

173 liquien war so groß, daß im 8. Jahrhundert der Reliquiendiebstahl in der ganzen Christenheit üblich wurde 402 ). Die Überführungen der Reliquien waren Festzüge, an denen große Volksseharen t eilnahmen' 0 ") . Im Ge- folge der ansteigenden Reliquiensucht steht die starke Zunahme des Mirakelgfaubens. Im Hochmittelalter steigerten die Kreuzzüge, aber auch die Ablaßquästoren und die Legenden, den Reliquienkult im stärksten Ausmaße . Zur Frag·e der Echtheit der Reliquien ist die ur- sprüngliche fränkische Auffassung wichtig, die eine unmittelbare Be- rührung der Heiligenleiber scheute und Materien, welche die Gebeine umgaben, wie Tuchstückchen und die Reliquienschreine selbst als Re- liquien auffaßte, durch deren Berührung man Hilfe in Krankheiten er- wartete. Man hat es vielfach mit Andenken an die Heiligengräber, wie Stoffresten, Blumen, Wachs von den Kerzen und. besonders Steinen oder Erde von den hl. Stätten in Palästina zu tun'°'). Die Zeit verlor sich allerdings auch in Absonderlichkeiten und Wunschgebilde, wie z. B. ein Blick auf den Reliquienschatz der Stiftskirche von St. Florian vom Jahre 1291 zeigt: ,,Die Altäre glichen so" - sagt Czerny A. - „wenn der Vergleich erlaubt ist, einem Medikamentkasten, von dem geistige Ruhe und Erquickung. ausströmte'" 00 ). Dieselben Verhältnisse bestanden. in den übrigen obderennsischen Klöstern. Der Christusaltar einer Unterkapelle in Spital a . P., den WB. Sigismund von Pollheim 1462 Aug·ust 22 konsekrierte, enthielt folgende „Reliquien": Teilchen vom Tisch des Herrn, vom Ölberg, von der Auffahrtsstelle, dem Tabor, der Geißelsäule, des hl. Kreuzes, vom Kalvarienberg, Grab Christi, St ein des Grabes, Schweißtuch, Linnen Christi, Häuschen des Petrus, des Täufers 400 ) . Noch sonderbarere Stücke umfaßten der Allerheiligen- a ltar des Propstes Kaspar II. von 1477 und der Dreifaltigkeitsaltar des Propstes Leonhard von , St. Florian aus dem Jahre 1487 407 ) . Der 1496 konsekrierte Dreifaltiglieitsalta r der Schneiderzeche in Steyr war mit folgenden „Reliquien" versehen : Mit einem Stück vom Grabe Christi, -einem Stein, auf dem Maria kniete, als ihr der Engel den Gruß brachte, mit etwas von Johannes dem Täufer, dem Hirn des bl. Bartholomäus, -den Heiligen Sebastian, Agapit, Georg, Koloman, Oswald, einem Zahn des hl. Maurus, etwas von St. Ursula, vom Grabe der hl. Katharina, von der Zelle des Evangelisten Markus und von den fünf Gerstenbroten 408 ). • 02 ) Schnürer G., K irche und Kultur im Mittelalter, Bd. I2, S. 211. • 03 ) Schnürer G., a . a. 0., Bd. II, S. 67. • 0 •) Schnürer G., a . a . 0 ., Bd. I2, S. 210. • 0 •) Kunst und Kunstgewerbe im Stifte St. Florian, S. 276. Der ganze Re- !iquienscha tz i st • S. 2,7-282 veröffentlicht. 466 ) Nach einem Katalog der Reliquien von Spital a. P. und der inkorpo- rierten Pfarren in der Schatzkammer von Spital a. P. aus dem Jahre 1770 hätte .die genannten Reliquien der Kanonikus von Spital Heinrich von Koburg aus dem hl. Land mitgebracht und sam t Reliquien des Bischofes Otto und des Kaisers Heinri ch der K irche von Spital übergeben. Ordinariatsar chiv, PA., Fasz. Spital a . P., Bd. II. Das Verzeichnis führt unter den ca. 190 Stücken auch 2 vollständige Heiligenl e iber der Märtyrer Lucia und Viktor an und unterscheidet Reliquien ·mit und ohne A uthentik. 407 ) Czern·y A., Kunst und Kunstgewerbe in St. Florian, S. 55. 468 ) Der Protes tant Prevenhuber V., Annales Styrenses, S. 220 f. beruft si ch :bei di eser Angabe auf eine \Weihebriefabschrift.

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