Karl Eder - Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung

164 2. Die sonstige Heiiigenverehrung. Der Glaube an die Gemeinschaft der Heiligen befruchtete seit alter kirchlicher Zeit die Kultformen und schuf unübersehbar reiche und ver- schiedene Gebiete der Andacht und Frömmigkeit. Es gibt kein zweites innerkirchliches Feld, auf dem dogmatische Anschauungen mit Brauch- tum und Volksmeinung einen so engen Bund geschlossen hätten als die Heiligenverehrung. Mit dieser Feststellung ist die Abgrenzung nach der Wert- wie nach der Schadenseite gegeben. Die geschichtliche Er- forschung hat es nicht mit den dogmatischen Gedanken von der Ge- meinschaft der Heiligen und deren Fürbitte bei Gott allein, sondern ebensogut mit den aus der Zeit natürlicher Religion und der Welt der Legende gespeisten Vorstellungen des Volkes zu tun, die sich um die Lehre der Kirche rankten und sie manchmal zu durchsetzen suchten. Der ethische Gedanke des Vorbildes, der in den Heiligen die Klassiker der christ-katholischen Relig·ion sieht, überbrückt und verbindet beide Bereiche. Der Forscher darf es auf diesem Gebiete keineswegs mit den so·nden der Dogmatik, Geschichte und Hagiographie allein bewenden lassen, sondern hat die Gesetze der wissenschaftlichen Erschließung der Volkskunde auf dieses religiöse Teilfach anzuwenden. Mehr als bei anderen Sparten ist auf dem Gebiet der Heiligenverehrung der scharfe Blick für das Gemüts- und Gefühlsleben des Volkes, der Sinn für die Beobachtung feiner seelischer Regungen und umfassende Kenntnis der Gesamtlebensverhältnisse eines Volkes und eines Zeitabschnittes zur . richtigen Bewertung dieser religiösen Äußerungen unerläßlich. Erst die jüngste Zeit schickt sich an, die frühere Betrachtungsweise der Heiligenverehrung von oben durch die Auffassung von Seite des Volkeg her zu ergänzen 384 ) . Es ergeben sich dadurch nicht nur ganz neue Gesichtspunkte, sondern die ganze Frage wird in ein anderes Licht ge- rückt. Die Heiligenverehrung erscheint als stärkste Form erlebter Religion des Alltags und als Ausdruck der selbstverständlichen Einheit von Glaube und Arbeitsleben. Die Heiligenverehrung des Landes ob der Enns in der Zeit von 1490-1525 ist quellenmäßig den Patrozinien und Dedikationstagen der Kirchen, dem Stiftungswesen aller Arten, den Bruderschaften, Kirch- fahrten und der Namengebung in der Taufe zu entnehmen. über die Meßstiftungen, Altäre und die Innenausstattung der Kirchen, über Bruderschaften und Wallfahrten handeln eigene Abschnitte. Drucke scheiden für die angegebene Zeit mang·els charakteristischer Erzeug- nisse aus 38 " ) und eine allseitige Untersuchung der Taufnamen ist bei dem späten Beginn der Taufmatrikeln im letzten Viertel des 16. Jahr- 884 ) Man vergl eiche z. B. das wertvolle Werk von Beissel St., Die Verehrung der Heiligen und ihrer Reliquien in Deutschland während des Mittela l ters, 2 Bd., 1890 und 1892, mit den in der Reihe „Forschungen zur Volkskunde" (herausgegeben von Dr. Georg Schreiber) erschienenen Arbeiten von Kleinschmidt B. über die hl. Anna oder Anton ius von Padua und die Monographie von Meisen K., N'iko- l auskult und Nikol ausbrauch, sowie die in: den „Kleinen historischen Mono- graphien" (herausgegeben von Nikol aus Hovorka) veröffentlichten Heiligenleben von :Aich J ., St. Leonhard und Weißkopf J., St. Johannes von. Nepomuk. 386 ) Erst 1599 l äßt Abt Christoph von Mondsee (1592- 1615) in Salzburg ein Pilgerbuch für, St. Wolfgang in der Auflage von 2500 Stücken erscheinen.

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