Karl Eder - Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung

146 Bei dieser Gruppe von Stiftungen tritt der Unterschied zwischen Widmungen zu Lebzeiten und letztwilligen Vermächtnissen stärker hervor. Adelige, Geistliche und Bürger freuten sich, ihren Altar in ihrer Kapelle mit weiteren Zieren auszustatten, wobei der Künstler wohl öfters die Stifter konterfeite. Die ungemein lebenswahren Figuren zeigen, daß der Individualismus als Gesamtlebensgefühl den älteren religiösen Individualismus bereits aufgeholt hat. Mit der Freude, sich im Bild auferstehen zu sehen, verbindet sich der alte deutsche Zug· zur eigen..en Kirche oder Kapelle, zum eigenen Geistlichen und eigenen Gottesdienst. Das Bestreben, geistlich auf eigenem Boden zu stehen, bedeutet, wenn nicht eiri Stück Verweltlichung, so doch einen Abweg von der mittelalterlichen Kirche, welche die altgermanische Eigen- kirche mit ihren Einrichtungen überwunden hatte. Im übrigen über- wiegen Testamente und Legate. Die ersteren sind meist sehr eingehend,. die letzteren bewegen sich häufig· in der Richtung der Streustiftungen. Aufstiftungen schwacher Stifte, Ergänzungs- oder Zustiftungen und Nachstiftungen beg·egnen wie Anfechtungen der Vermächtnisse auch in dieser Sparte. Nach Ausbreitung der Glaubensspaltung kommt es öfters vor, daß protes tantisch gewordene Stifter oder deren Kinder Stiftungs- gegenstände, z. B. Kelche, wieder an sich nehmen und dadurch Prozesse wegen Entzug von Kirchengut erregen. 3. Als Ergebnis dieser Stiftungsgattung steht fes t, daß kein kirch- liches Kultgerät und kein Einrichtungsgegenstand des Gotteshauses von der Stiftungstätigkeit ausgenommen ist. An der Spitze steht die unabsehbare Zahl von P 1a s t i k e n. Bei diesen Figuren (Kruzifixe, Madonnen, Engel, Heilige) und Gruppen (Beweinung Christi, Anna Selbdritt, Georg·s Drachenkampf u. a.) handelt es sich vorwiegend um Holzskulpturen. Daneben kommen auch Arbeiten aus Stein vor. Mar- mor ist das bevorzugte Material der vielfach herrlich gearbeiteten Epitaphien und Grabplatten. Selten sind Plastiken aus Bronze, Edel- metall (Silber) und bei M:iniaturgruppen aus Elfenbein. Doch bestellen noch 1518 die Linzer Handelsherren eine über 8 Kilo schwere Bartholo- mäuss tatue aus Silber beim Linzer Goldschmied Sterzer für die Stadt-- pfarrkirche302). Es wird Sache einer das ganze Land ob der Enns er- fassenden Kunsttopographie sein, diesem einst so reichen Kunstbesitz nachzuspüren und seine kärglichen Res te, die trotz verschiedener Si- cherungsmaßnahmen noch immer zusammenschrumpfen, in Wort und Bild festzuhalten 303). An die Plastiken reihen sich würdig· die Bi 1 der, vornehmlich T a f e 1b i 1d e r, W a n d m a 1e r e i e n und F r e s k e n. Unsers Herrn Erdenwallen, das Marienleben, die Heiligenviten und die Legende sind die beliebtesten Stoffquellen. Gewisse Szenen, Zyklen und Gruppen tragen betont lehrhaften Charakter und predigen von den Wänden herab. St. Michael und, St. Georg muntern zum Kampf gegen den Teufel auf, die Passionsbilder werben um die Nachfolge- 3 0 2 ) Ziegler A., Linz, S. G6. 008 ) A. Czernys Buch „Kunst und Kunstgewerbe im Stifte St. Florian" hat. leider keine Nachahmung gefunden. Oberchris ti F. brlngt in seiner Monographie über den Kefermarkter Altar, S. 43 ff., wertvolle Hinweise.

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