Karl Eder - Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung

125 eine Baufreudigkeit festzustellen, die aus wirklichem Eifer für die Ausgestaltung der Kirche, aus Frömmigkeit und dem Stiftungs trieb heraus gespeist wird. Gerade dadurch wird ein förmli cher Wetteifer unter den verschiedenen Pfarrmenigen entfacht, so daß nicht selten der Ausbau e in e r Kirche auch bauliche Veränderungen bei den Nach- barkirchen nach sich zieht. Im Gebiet der Stiftspfarren setzt in der Regel die Hand eines baulustigen Abtes g-rößere Arbeiten an Kirchen in Bewegung. So betä tigten sich z. B. als Bauherren in hervorragen- dem Ausmaße di e Äbte Ulrich IV. Praunauer von Garsten (1495-1524) und Wolfgang I. Widmer von Kremsmünster (1488-1501). Die K o s t e n d e r B a u t ä t i g k e i t an Pfarrkirchen trug zum größten Teil die Pfa rrgemeinde. Auch soweit Stiftungen vorliegen oder ein Kloster die Hauptsumme beisteuert, werden Robot, Zug- und Spann- dienste von der Bevölkerung g·eleistet. Die alte Formel der zur Förde. rung der Kirchen verliehenen Ablaßbriefe, qui manus adjutrices por- rexerint, deutet diesen Sachverhalt an. Bei allen diesen Bauten muß durchschnittlich eine gegen heute unverhältnismäßig 1a n g e B au- p e r i o d e angenommen werden. Die Arbeiten geschahen mit anderen Mitteln und unter anderen Voraussetzungen. Eine Art B a u k a s s e, der auch auf dem Wege der Stiftungen Gelder zuflossen, bildete das finanzielle Rückgrat der Unternehmung und bestritt die notwendigsten Sach- und Personalausgaben. Daraus erklärt sich die Tatsache der vielen Baustockungen, der vi elen unvollendet en Bauten, der langen Bauzeit und des stückeweisen Zuwachsens der einzelnen Bauglieder. Die wiederholten A b 1a ß v e r 1e i h u n g e n bis zur Fertigstellung ,eines Gotteshauses, di e man mit voller Berechtig·ung· als Kirchenbau- .ablässe bezeichnen könnte, zeigen den Beginn der verschiedenen Bau- epochen an. Gerade das Studium der Baugeschi chte einer Kirche offen- bart di e enge Verflechtung zwischen dem Wachsen des Gotteshauses, dem religiösen Geist der Gemeinde und der wirtschaftli chen wie recht- lichen Gesamtlage eines Sprengels. Wichtige Veränderungen auf allen diesen Gebiet en g-reifen wie die Räder eines Zahnrades ineinander, sie gehören zusammen und sollten nicht ;aus dem Zusammenhang gerissen ,-verden. Ein Gotteshaus war nie so vollständig „fertig", daß es .an ihm nichts zu ergänz en und zu verbessern gegeben -hätte. Die ,,zum Bau" fall enden Legate und Stiftungen auch anscheinend voll- ,endeter Kirchen geben von diesen Verhältnissen Zeugnis 75 ) . Auch die während des Baues g·egebenen römi schen Ablaßbriefe, wie die anläß- lich der Kirchweihe und der häufig gleichzeitigen Altarskonsekrationen gegebenen bischöflichen Ablässe, suchen den Augenblick der Ermüdung und Erschlaffung nach Beendigung des Rohbaues durch Verleihung von Gnadentagen und Ansporn zu Almosen zu überwinden. Der Zu- sammenhang ist so eng, daß man ruhig im Umkreise eines römi- schen Ablaßbriefes eine wichtige bauliche Veränderung der Kirche ver- 70 ) 1493 legierte z. B. die beka n n te Ennser Bürgeri n Ma rtha Perausch u . a . den h a lben Anteil einer Geldsumme nach S t. La urenz „zum Bau" u nd 10 P f. d der Frauenki rch e „zum Bau und zur Zier des Go ttesh auses". K urze Beschre ibung -des Bürger -Spita ls in Enns, H s. im Ar chiv der ' S t adtpfarre Enns.

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