Karl Eder - Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung

109 (Kirchenvermögen) zu machen. Er forderte weiter Überprüfung der älteren vielfach abgekommenen Stiftungen, sowie die Anlage g·enauer Urbare und Stiftungsverzeichnisse. Wenn auch die gravamina als po- litische Beschlüsse für den Verhandlungstisch kritisch gelesen und ge- wertet sein wollen, so ist angesichts der genau angegebenen Be- schwerdepunkte an der Tatsache des angezogenen Übelstandes nicht zu zweifeln. Gegenäußerungen von geistlicher Seite fehlen allerdings. Doch enthalten die „Beschwerden der Geistlichen gegen die Laien", also die Stimmen des Prälatenstandes, keine Zurückweisung· des er- hobenen Vorwurfes. Das gravamen ist wie g·esagt im Namen aller welt- lichen Stände der Erblande erhoben worden. Es fragt sich nun, ob die tatsächlichen Verhältnisse im Land ob der Enns eine Unterlage er- geben, welche die Teilnahme der Landesvertreter an einer so schwer- wiegenden Beschuldigung rechtfertigt. Die auf den Landtagen in Österreich ob der Enns seit 1503 er- hobenen kirchlichen Beschwerden der Stände berühren aus dem Um- kreis der für diese Frag·e in Betracht kommenden Gegenstände das A.nfdrängen des „großen Gottesdienstes" bei Sterbefällen und Über- forderung mit Stolgebühren. Der V o r w u r f e in e r b e w u ß t e n li n t e r s c h 1 a g u n g v o n S t i f t u n g e 11 a u s G e w i 11 n a b- s i c h t e n wird, soweit ich sehe, n i c h t erhob e n. Einzelne Fälle von Aufstiftungen älterer Messen, deren Kapital oder Fundation im Laufe der Jahrzehnte gelitten hatte und die möglicherweise „abgekommen" waren, sind verbürgt, beweisen aber das Gegenteil, nämlich Achtsamkeit auf die bestehenden Stiftungen. Es ist das Los aller Stiftungen, daß der Zahn der Zeit ihre Grundlag·en benagt und sie schließlich zum Ver- schwinden bringt. Der ständig wiederkehrende Ausdruck „ewige Messe" ist dah er höchst rebtiv aufzufassen . Ein Blick in die Stiftungen besonders in Städten und Klöstern zeigt indes t atsächlich eine so große Dichte der Meßstiftungen, daß im Zusammenhalt mit den son- stigen Verpflichtungen der Geistlichen, wie Dienst an den Filialen und Nebenkirchen, Sterbegottesdienste und Persolvierung der Manual- stipendien, die Mö g 1 i c h k e i t d e r V e r n a c h 1 ä s s i g u n g d e r Me ß s t i f tun g e n in g e w i s s e n F ä 11 e n g e g e b e n ist. Die Si c her u n gen, welche die Stände in Innsbruck für zukünftige St iftungen verlangen, lassen auf Eigenmächtigkeit, Gewinnsucht und Sorglosigkeit der Kirchenvorstände zugleich schließen 3 6 ) . Die Stände behaupteten, daß durch Änderung·en und Rasuren in den alten Jahrtagsbüchern und Kalendern sowie durch Anfertigung· ,,neuer Ka- lender" nur mehr wenige alte Stiftungen bei Kirchen und Klöstern ge- funden würden und daß trotz der täglichen Stiftungen der Gottesdienst sich nicht vermehre, so wenig das :Meer durch die täg·lich zufließenden Gewässer wachse. Daher g·inge ihre Forderung nach neuen Stiftung·s- büchern bei allen erbländischen Kloster- und Pfarrkirchen mit ge- nauen Verzeichnissen aller pfarrlichen Rechte, der alten und neuen Stiftungen, der Gerechtsame und Gewohnheiten der Kirche und zwar 30 ) Zeibig H . , Der Ausschußlancltag zu Innsbruck 1518, AKöG., Bd. XIII (1854), S. 246 f . uncl 248.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2