Karl Eder - Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung

95 gegen die alten Landklöster und die bestehenden M.inoritenklöster in den Städten. In der knapp nach 1520 einsetzenden T ä u f e r b e w e- g u n g zeigt sich die Handwerkerschaft der Städte so tief von Vor- stellung·en der Apokalypse beeinflußt, daß man eine starke Beschäfti- gung mit apokalyptischen Gedanken schon für früher vermuten darf. 1521 ist die Erwartung einer „V e r ä n d e r u n g in d e r c h r ist- 1 i c h e n K i r c h e" bereits beurkundet. Diesen Zeichen ernster Erkrankung des kirchlichen Wesens stehen die wie unter einem Maireg·en aufblühende V o l k s f r ö mm i g k e i t und eine wahrhaft großzügige S tiftun g s täti g k e i t gegenüber, der Seg·en und Farbenzauber eines reichen Herbstes vor einem langen Winter. Die Wurzel der Stiftungs tätigkeit ist der in den Stiftsbriefen regelmäßig angeführte G 1 a u b e a n d i e V e r d i e n s t l i c h k e i t d e r gut e n W e rk e. Al s solche erscheinen Messe, Gebet, Fasten, Almosen. Besonders begehrt ist der Anteil an den geistlichen Übungen und guten Werken in den ·Klöstern. Zahlreiche Vergabungen und Geschäfte erfolgen zur Sicherung dieses Anteiles. Neben echter Frömmigkeit sind jedoch auch n e u e E i n f l ü s s e unverkennbar. Die reiche Bürgerschaft will es in den Benefiziumsstiftungen dem Adel gleichtun, wobei Anklänge an das Eigenkirchenwesen und Hauspriester- tum mitschwingen. Das Hineinregieren in kirchliche Einrichtungen, eine Lieblingsbeschäftigung Friedrich III. , und das Bestreben, kirch- liche Einrichtung·en und Personen unter das Diktat von Laien zu stel- len, findet Nachahmung beim Kleinadel und bei der Bürgerschaft von Städten und Märkten. In der Sucht nach der eigenen Kapelle, dem eigenen Altar mit Familiemvappen und dem eigenen, nach der Familie benannten Kaplan tritt der G e i s t d e s I n d i v i d u a 1i s m u s her- vor. Es ist , genau besehen, Abkehr vom großen Gedanken der Katho- lizität. Teilweise wird der Stiftungstrieb auch aus dem L e b e n s- g e f ü h 1 j e n e s Z e i t e n u m b r u c h e s gespeist, das mit seiner leb- haften Vorst ellung von Tod und Gericht, Sünde uncl Buße eine stark m e t a p h y s i s c h e G r u n d r i c h t u n g zeigt. Die Berufung von Barfüßern als Fastenprediger, der Eintritt begüterter Laien in die Men- dikantenklöster und der übertritt von Regularen in strengere Orden, die innige Hingabe an die Motive der Passion, die Beschäftigung mit den Totentanzzyklen und die Errichtung von Kreuzaltären als Aus- druck der Kreuzesmystik, zeigen von leiderfüllter Weltabkehr. Es be- steht kein Zweifel, woher diese dunklen Töne fli eßen. Zur Überzeugung von der „Zergänglichkeit alles Irdischen" gesellt sich als neuer Ein- schlag die Klage über die „Z e r r ü t t 1i c h k e i t d e s g a n z e n W ese ns". Trauer und Resignation über die Zustände in Welt und Kirche sprechen aus diesem Ausdruck. J edermann hatte es unter Friedrich III. gesehen, wie geschwächt Kaiser und Reich waren. Adels- fehden zerrissen die Erbländer, die Türkengefahr zog wie ein schweres Gewitter über Ungarn herauf und bedrohte in erster Linie Öst erreich. Die grundstürzende Umwandlung der Natural- in die Geldwirtschaft trieb Kleinadel und Bauernschaft auf, der „gemeine .Mann" wurde „schwierig". Zu den :i.lten Gottesgeißeln der Pes t und des Aussatzes war die neue unheimliche „französische Krankheit" getreten und for-

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2