Karl Eder - Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung

94 Quellenmaterial aufgeführte lebensvolle Darstellung hat das· Recht auf den Annäherung·swert, den wir „geschichtliche Wahrheit" nennen. Die vorliegende Arbeit will durch die H e r a n z i e h u n g d e s g e s a m- t e n S t i f t u n g· s w e s e n s den Abschnitt über das innerkirchliche Leben der vorreformatorischen Zeit auf eine sichere Grundlage stellen. Der Verfasser ist der Überzeugung, daß die einschlägigen, zeitrauben- den Archivforschungen trotz mancher Enttäuschungen und Fehlergeb- nisse nicht umsonst waren 2 ). Nach diesen kritischen Bemerkungen und Vorbehalten sollen einige psychologische Hinweise auf Glaube und Frömmigkeit des aus- gegangenen Mittelalters die Einführung abschließen. 2. Zur Psychologie der Frömmigkeit des ausgehenden Mittelalters im Land ob der Enns. Auch das Land ob der Enns bietet für die Zeit um 1500 das merk- würdig zwiespältige Bild tiefgehender innerer Erreg·ung und Beunruhi- gung neben gesteigerter, t eilweise sich üppig entfaltender kirchlicher Frömmigkeit. Zwar fehlte im Land ein kirchlicher Mittelpunkt und daher auch die damals meist damit verbundenen Gebrechen und Schä- den, aber die s t r i t t i g e B i s c h o f w a h 1 n a c h d e m T.o d e U 1 r i c h I II. v o n Nu ß d o rf 1 4 7 9 und die für Passau entstande- nen bösen Folgen waren noch in fri scher Erinnerung. Die Partei des Kardinals Georg Heßler, des Kandidaten Friedrich III. , im Passauer Domkapitel nahm auf Befehl Sixtus IV. in Wels Aufenthalt und ver- blieb dort bis zur Beendigung des Schismas 1482. Land und Volk ob der Enns waren Zeugen eines mit allen g·eistlichen und weltlichen Mit- t eln geführten Kirchenstreites. Der berühmte Domprediger Dr. Paul Wann, dessen Werke im Land ob der Enns zu den beliebtes ten Predigt- vorlagen zählten, war die Seele des Widerstandes gegen den Kaiser- und Papstkandidaten Heßler und setzte sich trotz der Bestätigung des Kardinals durch Sixtus IV. für den Passauer Kandidaten Mauerkircher ein. Es war tatsächlich Anlaß genug gegeben, an der kirchlichen Autorität irre zu werden. Fehlen auch Zeugnisse für unmittelbare An- griffe gegen das Papsttum im Land ob der Enns vor der Glaubens- spaltung, so richten sich doch die Ausdrücke der gravamina „Cour- tisanen" und „courtisanisch Sachen" gege n di e römi sc h e Kuri e u n d d e r e n f in a n z i e 11 e P r a k t i k e n. In der ständischen Körperschaft fällt das Wort von der Erschöpfung der Länder durch die „großeGnad". B e s c hw e rd e n gege nd e n K 1 e r u s kehren immer breiter und verstärkter wieder. Die Ri c htun g zu imm e r g r ö- ß e r e r S t r e n g e i n d e n N e u g· r ü n d u n g· e n d e r Me n d i- k a n t e n k I ö s t e r ist ebensosehr ein Beweis für den Glauben an das kirchlich aszetische Ideal des Mittelalters · wie ein religiöser Protest ' ) Au ßer <ler Dm·chsi ch t zahl re icher Ar ch ive mußten fü r diesen A bschnitt a ll ein u. a . über 120 Bände der S ti f t sbr iefsammlung der o. ö. Lande Tegieru ng und über 150 Bän de der Passau er Ak ten des Bischöfli chen Ord iua riatsar chi ves durchgearbeitet werden .

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