Karl Eder - Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung

93 vollständig die Eigenart des religiösen Zeits innes. Nicht nur der Naturmensch, sondern auch der zum Sehen geborene Mensch, ein be- stimmter Typus, in bes timmten Zeiten vorherrschend, will den äußeren Erweis innerer Ges innung· schauen und auf den Händen darbringen. Man schelte diese Art nicht! Es sei dahingestellt, ·ob sie der rein vernünftel- den unterlegen ist , sicher ist sie anders. Sie kann jedoch durchaus im Erdreich der Sittlichkeit wurzeln, nur völlige Unvertrautheit mit dem Volkscharakter und seinen Äußerungen könnte das bes treiten. Schwer verständlich scheint fe rner d e r j ä h e W e c h s e 1 v o n d e r n o c h bi s 1520so blüh e nd e n kir c hli c h e n Fr ö mmi g k e it zu d e r n e u e n H a ltun g, di e sich in kürzes ter Zeit gegen die eige- nen Werke• kehrte. Man darf eben angesichts der überreichen Stiftungs- tätigkeit besonders auf dem Gebiete des Meßopfers die schon lange vor der Glaubensspaltung· herrschende Unzufri edenheit mit den kirchlichen Zuständen, die schweren Mängel des religiösen Volksunter- richtes und das weit um sich greifende Sektierertum, vor allem den Lieblingswunsch der maßgebenden Kreise, ,;Veränderung in der christ- lichen Kirche", nicht vergessen. Auch im · Lande ob der Enns besteht Müdi g·keit über schwere Gebrechen im kirchli chen Leben, eine Ver- trauenskrise über Mitglieder des höheren Kleru s, die Überzeugung· von einer kommendenVeränderung. Die Abwesenheit gewisser geistiger Vor- aussetzungen für di e Gesundheit des relig·iösen Lebens muß ebenso genau in Rechnung gestellt werden wie die Anwesenheit anderer gün- stigel' Erscheinungen. Kurz, das Relief der Ereignisse darf nicht nur die Erhebungen, sondern muß auch die recht deutlichen Senkung·en enthalten. Me t h o d i s c h möchte sich di e Arbeit strenge an die Forderung halten, nicht in die Quellen etwas hineinzutragen, sondern aus den Quellen herauszuholen. Maßgebend sind unter allen Umständen die kritisch gesichteten Quellen, nicht Auffassungen bestimmter Welt- anschauungsgruppen, Schulen oder Geschichtswerke. Man sollte mei- nen, daß nur auf der Grundlage der länderweisen Geschichtsfor schung und ihrer Ergebnisse ein Bild des gesamtstaatlichen Lebens möglich wäre, leider ist dem nicht überall so. Vielmehr ergeben „leitende Ge- sichtspunkte" oder die bekannten „allg·emeinen Linien" ein vorgefaßtes Schema, in das der landesgeschichtliche Quellenstoff hineingepreßt wird. Es kommt dann allerdings auch etwas heraus , aber diesem Etwas wider- sprechen auf Schritt und Tritt die Quellen. Ganz von den Fällen zu schweigen, die -überhaupt das Quellenstudium scheuten und statt dessen allgemeines Gerede absetzen. Der Ländergeschichte, nicht zuletzt der Kirchengeschichte der Länder harren noch große und dringende Auf- gaben1). Es gilt zunächst, das geschichtliche Eigenleben der staat- lichen Einheiten zu erforschen und sodann die Ergebnisse einer zu - sammenfassenden Gesamtgeschichte zur Verfügung zu stellen. Nicht phantasiereiche Konstruktionen, sondern nur die aus einwandfreiem 1 ) Die Wiinsche, die Schiffmann K . über die „Aufga ben der kirch engeschi cht- li chen F or schung in Oberös terreich" im AGDL. , Bel. III (1906) , S. 3 ff. äußerte, sind bis heute größtenteils noch ni ch t ve rwirklicht.

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