Karl Eder - Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung

92 Periode werden uns auch auf kirchlichem Gebiet immer schwerer vor- stellbar. Man ha t da vor allem die alten übernommenen Formen und t y pi sc h e n H a ndlun gs w e i se n von d en indi v idu e ll e n e i n z e 1n e n z u u n t e r s c h e i d e n. Eine Stiftung z. B. kann eine standesg·emäße Handlung sein, die zu einer Famili e gehört wie Tracht und Wappen und sie k ann wirklich der Ausfluß religiöser oder ka ri- t ativer Gesinnung sein. Kein Kenner wird aus der Motivation einer Stiftungsurkunde besondere Schlüsse für die religiöse Einst ellung des Stifters ziehen, denn er weiß, diese Bewegg-ründe sind ein jahrhunderte altes Auss tattung·sstück solcher Bri efe, Best andteile eines Kanzlei- formulares, außer das Dikta t bewegt sich in individuellen Formen. A n a I o g i e s c h 1ü s s e sind auf manchen Gebiet en zulässig, auf an- deren sehr fragwürdig . Es ist z. B. innerhalb des Rahmens der vor- liegenden Arbeit durchaus möglich, aus der Höhe einer verstiftet en Geldsumme auf die Art der Meßstiftung· zu schließen und umg·ek ehrt. Es bleibt dag·egen immer bedenklich, aus der Stiftungsliste in 10 Märk- t en auf die Gleichheit der Stiftungen in einem 11. Markt zu schließen. Das Bild kann durch eine Familie oder eine Bruderschaft ein ganz an- deres Aussehen haben. S c h ä r f s t e Kritik i s t a 11 e n An- k 1a ge n und Po 1e m i k e n g e g· e n üb e r a m PI a tz. Es ist zwar eine Binsenwahrheit, daß man bei Anklagen st ets auch den an- deren Teil hören müsse, in Wirklichkeit aber vertraut man nur all- zuhäufig e i n e r Seite. Auch blindes Vertrauen in die vorgeschützten Beweggründe führt zu F e h 1s c h 1ü s s e n. Unter den gravamina des Adels gegen den Kleru s kehrt z. B. regelmäßig· eine Beschwerde g·egen das Weinausschenken in Pfarrhöfen wieder. Sie wird mit Unziemlich- keit und mit den üblen Begleitfolg·en begründet , ist aber in Wahrheit nur eine Sicherungsma ßnahme für die Schloß- und Hoftafernen und für den Tafernenzwang der Untertanen, weitaus überwi egend also ein Kampf gegen unerwünschten wirtschaftlichen Wettbewerb. Besondere Vorsicht ist gegenüber den A kt e n n ac h d e r Z e rr e ißun g· d e r G 1a u b e n s e i n h e i t geboten. Sie sind, wenn nur eine Seite spricht, als An k 1a g e o de r Ve r t e i d i g u n g· zu lesen. Größtes Gewicht fällt der D a t i e r u n g zu. Es ist etwas ganz anderes, ob sich ein kirchliches Ereignis vor 1519, nach 1520 oder 1525 abspi elt, an dieser Grenzscheide sind in Jahre J ahrz ehnte ruhigerer Zeiten zusammen- geballt. Ein Durcheinanderwürfeln der J ahreszahlen an dieser Um- bruchstelle ist durchau·s unsta tthaft. Manches S c h w e r- und Mi ß- v e r s t ä n d 1i c h e läßt sich nur aus tiefer Versenkung in di e Zeit auflösen und aus Einfühlung in den Volkscharakter erspüren. Da ist das Sprunghaft e, Unlogische, die leichteWendigkeit der Stimmungen des Volkes; weithin herrscht na türlicher Wildwuchs vor. Da ist die Art der Zeit, religiös zu sehen, zu fühlen und zu handeln, es herrschte das Auge, nicht das Ohr, es führte das Bild, nicht das Wort. Diese Sinnen- haftigkeit leitet e aus sich zum sichtbaren Werk, zum Bild, zur Plastik, zum Altar, zum Gotteshaus und trieb immer wieder zu neuer Stiftungs- täti g·k eit auf diesen Gebiet en an. Es gab gewiß „W e rk h e ili g- k e i t ", äußere Werke wurden ohne innere Gesinnung oder für solche vollzogen, aber der Vorwurf in seiner Verallgemeinerung verkennt

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