Karl Eder - Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung

83 werden. Diese Auffassung wandelte sich allerdings sofort in dem Augen- blick als die Mehrzahl der Landstände sich Luther zugewandt und den Sitz des Bischofes außerhalb des Landes als nützlichste Waffe gegen die katholische Seite erkannt hatte. Der Versuch Urban von Trenn- _bachs im Jahre 1584, das obderennsische Offizialat nach Linz zu ver- legen, scheiterte am Widerstande des lutherischen Adels und der Städte. Es war für diese Maßnahme zu spät. Auch die w i r t s c h a f t- 1i c h e S e i t e d i e s e r F r a g e darf nicht übersehen werden. Alle kirchlichen Geschäfte des Landes gingen nach Passau. Dort wurden die meisten Personalfragen abgehandelt, waren in der Regel die Ordi- nationen, erfolgte die Ausstellung der „litterae formatae" für Pfarrer und Gesellpriester. Dorthin führten die Strafsachen der Kleriker und zahlreiche kirchliche Zivilgerichtsfälle aus dem Umkreis des Patronats- und Vermögensrechtes, mußten die Kleriker steuern und zu Synoden und Konferenzen erscheinen. In der Stadt am Zusammenfluß der drei Flüsse kam endlich der ganze Wust der Streitigkeiten zur Austragung, die sich um Inventur, Sperre und Spoliation des erbgelassenen Priester- gutes entspannen. Dieser rege Verkehr aus dem Land ob der Enns mit der Bischofstadt hob nicht nur das Ansehen derselben, sondern brachte ein gutes Stück österreichisches Geld unter die dortig·e Bürgerschaft. Es bedarf keiner Begründung, daß man diesem scheel nachsah. Ein be- sonderes Verhängnis war es ferner, daß b e i Au s b r u c h d e r G l aubensspaltung· der blutjunge Administrator d e s H o c h s t i f t e s, H e r z o g E r n s t, e i n Mi t g 1i e d d e r bayrischen Herz o g· s f am i 1i e war. Nicht nur grenzte Bayern mit dem Innviertel an das Land ob der Enns, so daß bei den damaligen Zuständen Grenzrivalitäten unvermeidlich waren, sondern es bestanden 3,uch zwischen den Herrscherfamilien starke Spannungen. Die Wahrung· landesfürstlicher Hoheitsrechte war für beide Herrscherhäuser der empfindlichste Punkt. Was lag näher als daß die lutherischen Land- stände Österreichs bei jedem Einschreiten Passaus auch in kirchlichen Fragen mit dem Alarmruf „Schmälerung der landesfürstlichen Juris- diktion und Verkleinerung des Hauses Österreich" antworteten. Damit war an den empfindli chsten Punkt, Erhaltung· der Erblande als Grund- lage der Hausmacht, gerührt und noch Jahrzehnte nach der Regens- burger Konvention von 1524 verhinderte dieser Umstand die innere Zusammenarbeit der Fürsten von Bayern und Österreich mit dem Hochstift Passau gegen die mächtig vorbrechende religiöse Neuerung. Erst das Wiener Konkordat von 1592 schuf in dieser grundlegenden Frage Wandel, aber fast drei Viertel des entscheidenden Jahrhunderts waren vertan. Die Gerechtigkeit gebietet, diese Hauptschwierigkeit der Passauer Bischöfe für ihre Amtsführung im österreichischen Anteil stärker als es bisher geschah, in das rechte Licht zu rücken. Der Ordi- narius hatte vielfach durch höhere Gewalt gebundene Hände. Der Fehler liegt allerdings in dem unbedingten Einspruch Passaus gegen die Errichtung eines Landesbistumes in Österreich. So traf der Sturm der Glaubensspaltung Österreich ob und unter der· .Enns ohne den be- rufenen Führer und ohne eine kirchliche Zentralstelle innerhalb de8 Landes. Der Bischof saß im Ausland. 6*

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