307 Meter über dem Meeressjdegel / ein Kleinod deutscher Städtebaukunst Im Liiizer Landesniiiseum liegt eine Kupfersticliplatte des Goldsdimiedes Wolfgang Hauser, ein Vogelsdiaubild Steyrs aus dem Jahre 1584. Das ist das älteste Bild der alten Eiseiistadt am Zu sammenfluß der Enns und Steyr, das wir besitzen. Es zeigt uns eine gotisdie Stadt mit starker Wehrbefestigung. Die geschichtliche Uberlieferung, die reidilich fließt, hilft uns die Anlage der Stadt vor diesem Jahr 1584 mühelos rekon struieren. Mit dem wachsenden Reichtum der Eisenstadt wurden ihre Holzbauten durch steinerne ersetzt. Die Stadtpfarrkirdie erhielt durch Hans Pnxbaum, dem Erbauer des Wiener Stephans domes, eine neue prächtige Form, die sie zu einem der bedeu tendsten Münster in Österreich erhebt. Ihre Lage am Berg, hoch über dem Stadtplatz, gibt ihr einen weiteren Vorzug. Aber auch das Bürgerspital, in seinen Grundfesten der romanischen Bau periode zugehörig, am linken Ufer der Steyr nahe ihrer Mün dung in die Enns gelegen, ist ein hervorragendes Bauwerk der Spätgotik, die in Steyr ja auch in profanen Bauten ihre stillen, aber fortdauernden Triumphe feiert. Zwei Beispiele seien ange führt: das sogenannte Bummerlhaus am Stadtplatz, das einstige Guetbrodtsclie Patrizierhaus, das die Jahreszahl 1497 trägt, die vermutlich mit seinem Bau zusanimenhängt, und der unvergleicliliche Stippl- (heute Dunkl-) Hof in der Kirchengasse mit seinen Kerbschnittsäulen. Während die Renaissance wie fast allgemein in Österreich auch hier nur wenige, allerdings erlesene Bauten hinterlassen hat (Innerbergerstadel am Grünmarkt, Sdiloß Engelhof in der Haratzmüllerstraße, Schnallentor), schwelgt der Barock in seineu über die Anhängliclikeit an das Irdisclie hinausstrebenden, die Schönluiit des gesamten Alls besingenden Formen. Die Dominikanerkircbe am Stadtplatz und die Michaeierkirche in der Nachbarschaft des Bürgerspitals, was eine reizvolle Belebung des Stadtbildes bedeu tet, das Lamberg'äche Scidoß oberhalb Zwischenbrücken, die älro ste Stätte Steyrs, dann einige Häuser am Stadtplatz, darunter das Meditz-Haus mit seinem herrlichen Renaissancehof, sind die hervorstechendsten Bauten dieses Stils. Daß aber ein Rokokobau, nämlich das Rathaus, zu den schönsten Baudenkmälern nicht nur Steyrs, sondern ganz Österreichs gehört, soll uns erneut beweisen, wie sehr es auch in der Baukunst nicht nur auf die Zahl ankommt. Wenn in Steyr denuodi der gotische Charakter vorherrsdieiid geblieben ist, so nicht zuletzt durch die geschichtliche Ent wicklung der Stadt. In der Zeit der Gotik war die alte Eisen stadt Oberösterreichs wohl am mächtigsten und vor allem inner lich erstarkt. Damals bauten die Bürger Steyrs aus einem gläu bigen Gefühl für alles Schöne ihre Häuser, Kirchen und Stadt tore, und noch heute spridit uns daraus jener Wille an, der so gar der Kaiserstadt Wien so oft getrolz hat. Dieseinnere Spann kraft hat Steyr wiedererlangt zur Zeit Josef Werndls, des genia len Sohnes der Eisenstadt, also in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Wir dürfen aber auch nidit vergessen, daß es eine weise Wahl war, die Stadt an den Zusammenfluß der Enns und Steyr zu bauen. Sie hat von dieser Stelle aus eine rege Kulturarbeit nadi allen Richtungen üben und sich ausbreiten können, ohne das alte Stadtbild zu zerstören. Heute breitet sich im Osten die Fabrik der Steyr-DaimlerPuch A. G. aus, die sogenannte Neue Fabrik die aus der österreidiischeu Waffenfabrik hervorgegangen ist. In ihrer Nähe, auf der Ennsleiten, ist nach dem Ersten Weltkrieg, als die Kraftwa generzeugimg begann, ein Wohnviertel für die Arbeiter und Angestellten des Werkes entstanden. Mit dem Bau des Kugel lagerwerkes im Zweiten Weltkrieg ist aber eine neue Stadt Münicliholz mit Häusern, die modernsten Komfort besitzen, und weitläufigen Grünanlagen errichtet worden, die man ein NeviSteyr nennen könnte. Sie liegt auf dem Hochplateau über der Enns, die hier sclion gestaut ist für das Kraftwerk Staning. Im übrigen ist Steyr auch der Sitz der Generaldirektion der Ennskraftwerke A. G. In der unmittelbaren Umgebung dieses Gebäu des haben sich, sozusagen vor den Toren der Stadt, verschiedene Industrien angesiedelt, so 1945 die Gesellscliaft für Fertigungstedinik und Maschinenbau, die Präzisionsmaschinen erzeugt. Im allen Reithofferwerk wiederum, an der Straße nadi Garsten, ist die Österreichische Musikinstrumenteilfabrik Musica eingezogen. Es ist überhaupt eine Eigentümlichkeit von Steyr, daß ihre alten Fabrikobjekte stets wieder einer industriellen Verwendung zuge führt werden, wie es dem Arbeitskreis der Stadt allerdings ent spricht. Audi schledite wirtschaftliche Zeiten haben daran nicht viel geändert. Daneben bestehen die alten Fabriken, wie etwa die Hack-Messerwerke, inmitten der ehemaligen Werndl'sdien Fabrikssiedlung am Wehrgraben, die heute noch zum Teil der Steyr-Daiinler-Puch A. G. dient. So findet der Fremde, der Steyr besucht, eine Stadt vor,- die alte und neue Siedlung in einmaliger Weise in sich einsclilieTJfT*^ ohne ihren Gesamteindruck zu schmälern, der nach wie vor von ihren historisdien Raulen ausgeht, den kirdiHchen und profanen aus der Gotik imd dem Barode. Sie machen Steyr audi zu einem Kleinod deutscher Städtebaukunst. Daß die Stadt an der Gegen wart und ihrer Technisierung lebhaften Anteil nimmt, ja mithilft, die Technik zu fördern, mag uns ihren starken Lebenswillen be zeugen. Sie folgt da dem Vorbild ihrer alten Gesdilechter, die stets ihre Kraft eingesetzt und sich gegen alle Widerstände be hauptet haben. Dadurdi zählt Steyr heute audi zu den Orten Österreichs, die für den Wiederaufbau des Staates nadi dem Zweiten Weltkrieg Ersprießlidies geleistet haben.
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