Die Stimme Österreichs - Heft 50 - 1952 - Steyr

zu Leipzig und zu dresen, zu Eszling, Nördling, Wien, Breslau, zu Danzig, Basel, St e i er, zu Colmar, Frankfurt, Hagenau, im römischen reich zu Speier, Weiszenburg gleich Pforzheim ist reich an Dichter, wie wir lesen." Besonders reich an feierlichen Veranstallungen (Singschulen) waren die Jahre von 1599 bis 1624. Fünfunddreißigmal trafen sich in diesem kurzen Zeitraum die poesieliebenden Handwerker zur öffentlichen Darbietung ihrer Werke. Die letzte Singschule hielt Hans Rhattmair zu Weihnachten 1624. In der einschlägigen Literatur wird als Versamm- lungsort für die Singschulen neben der Spital- und Bruderhauskirche auch die ehemalige Schulkirche (Dominikanerkirche) angesehen. Diese Vermutung mag für manche Singschulen zutreffen, doch wird in den Ratsprotokollen aus den Jahren 1599 und 1601 ausdrücklich die Durchführung der Singschulen im Rathaus erwähnt. Bei diesen Veranstaltungen, die gewöhnlich um Ostern und Weihnachten stattfan- den, dürften sich auch manchmal Unzukömmlich- keiten zugetragen haben, da der Rat von jenen Meistersingern, die um die Genehmigung einer Singschule ansuchten, häufig „gebührende Beschei- denheit" sowie die Enthaltung „ärgerlicher Gsang" verlangte und zur Uberwachung dieser Anordnung eigene Deputierte bestimmte. In den Wirren der Gegenreformation verstummte für immer der Meistergesang in Steyr, wo er sich durch fast ein Jahrhundert der liebevollsten Pflege erfreute. Handel und Gewerbe im laufe der Jahrhunderte Von Direktor Josef Ofner Etwa hundert Kilometer südlich von Steyr liegt auf steirischem Boden der berühmte Erzberg. Schon zur Römerzeit wurde hier Eisen gewonnen und ·auch im frühen Mittelalter dürfte der Erzabbau nicht gänzlich geruht haben. Im 11. und 12. Jahrhundert verfügten über ihn die begüterten Ottokare von Steyr, die bis 1192 auf der stolzen Styraburg resi- dierten. Diesem Umstand ist es wohl zu danken, daß das am nördlichen Abhang des Erzberges, dem sogenannten Innerberg, gewonnene Eisen nach Steyr-geliefert werden mußte und später daher nicht Enns, die alte Handelsstadt in Donaunähe, sondern Steyr sich zum Zentrum des Eisenhandels und der Eisenverarbeitung nördlich der Alpen entwickeln konnte. Im Jahre 1287 verlieh Herzog Albrecht I. der Stadt im großen Privilegium das Stapelrecht auf Eisen, wonach es drei Tage hindurch den hiesigen Bürgern zum Kaufe angeboten werden mußte. Steyr wurde die „landesfürstlich privilegierte" Eisen- niederlagsstadt. Im 14. und 15. Jahrhundert erlebten, von einigen Rückschlägen abgesehen, Handel und Gewerbe einen gewaltigen Aufstieg. Die Gewinnung des Roh- eisens machte bedeutende Fortschritte. Aus den Rennöfen und Blähhäusern entstanden die Rad- werke, die Eisenmaße wurden größer und in den wasser- und waldreichen Seitentälern der Enns er- hoben sich Schrottschmieden und Hammerwerke. In den Vorstädten Steyrdorf und Aichet gelangte, die Wasserkraft der Steyr ausnützend, eine reichver- zweigte Eisenindustrie zu hoher Blüte. Hier standen d1e Werkstätten der Hammer-, Blech- und Nagel- schmiede, der Drahtzieher, Feilhauer und Schlosser. Am mächtigsten aber entfaltete sich die Messer- erzeugung, die die Klingensc.hmiede, Schleifer und die eigentlichen Messerer umfaßte. Schon gegen Ende des 14. Jahrhunderts wurde dieser einfluß- reichen Zunft vom Landesfürsten die Handwerks- freiheit bestätigt. Um die Mitte des 15. Jahrhunderts zählte daher Steyr zu den vornehmsten Städten Osterreichs. Der weitverzweigte Handel mit dem begehrten Inner- berger Eisen und den hier angefertigten Eisenwaren hatte die Stadt reich gemacht. Die mit dem Zeichen der Steyrer Messerer geschlagenen Erzeugnisse fan- den nicht nur Anklang in den meisten europäischen Handelsstädten, sondern auch im Orient. Noch heute erinnern prächtige spätgotische Bauten, wie Stadtpfarrkirche und Bummerlhaus, an diese wirt- schaftliche Hochblüte. Aber schon gegen Ende des 15. Jahrhunderts zeigte sich, bedingt durch verschiedene Kriegs- ereignisse, ein Niedergang des Eisenwesens. Als 1495 Kaiser Maximilian I. von der Stadt einige hun- dert Gulden verlangte, klagten die Steyrer, daß seit dreißig Jahren das Handwerk der Messerer so schlecht und solche Zeiten noch nie gewesen wären. Verhältnismäßig rasch wurde dieser Tiefstand über- wunden. Im Hinblick auf das Handwerk stand Steyr um 1525 mit seinen 22 Zechen und Bruderschaften an der Spitze der Städte im Lande ob der Enns. Zu Anfang dieses Jahrhunderts fand die Sensen- und Sichelerzeugung Eingang, 1540 kamen von Waid- hofen Schermesserer nach Steyr und 1543 erbaute man für die Messerer auf dem Wieserfeld Wohn- und Arbeitsstätten. Das aus dieser Zeit stammende älteste Stadtsteuerbuch zeigt ein vielgestaltiges Handwerksleben. Ein Messinghüttwerk und eine Glockengießerei wurden errichtet und mit der Er- zeugung von Schießwaffen beschäftigen sich einige Meister. Um Floßholz zu sparen, entstand von 1558 bis 1563 die erste Anlage des Schiffweges von Steyr bis Haimbach bei Altenmarkt. Schwunghaft gestal- tete sich damals auch der uralte Handel nach Venedig, der sich nun nicht mehr allein auf die Ausfuhr von Eisenwaren beschränkte, sondern auch andere Handelsgüter, vor allem Rupfen, exportierte. Die Versorgung der nieder- und oberösterreichi- schen Industriegebiete mit Eisen erfolgte über die landesfürstlich privilegierten Legorte Enns, Linz, Wels, Freistadt, Krems, Stein und Wien. Die Eisen- händler von Steyr waren in diesen Städten berech- tigt, ohne Rücksicht auf die Vorrechte der dort an- sässigen Bürger, das Eisen direkt an die Konsumen- ten zu verkaufen. Im Jahre 1583 kam es nach langen Verhandlungen zur Gründung der Eisenhandels- Kompagnie, einer Vereinigung von Bürgern zum Zwecke des Eisenhandels unter Garantie der Stadt. Damit wurde der Eisenverlag den Privathändlern entzogen und einer öffentlichen Körperschaft über- tragen. Der erwartete Erfolg aber blieb aus, da die ungünstigen Zeitereignisse, besonders Bauernkrieg und Gegenreformation, den Verlauf der Arbeiten schwer beeinträchtigten. Zum völligen Zusammenbruch des Eisenwesens kam es in den zwanziger Jahren des 17. Jahrhun- derts. Oberösterreich wurde an Bayern verpfändet, die vermögenden protestantischen Bürger wander- ten aus und der Wert des Geldes sank infolge der Kriegsereignisse von Jahr zu Jahr. Die Schulden DIE STlMME 29 ÖSTERREICHS

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