Die Stimme Österreichs - Heft 50 - 1952 - Steyr

Steyr/ eine Pflegestätte des Meistergesanges Von Direktor Josef Ofner Zu den wenigen Städten Osterreichs, in deren Mauern der Meistergesang eine gastliche Heim- stätte fand, zählt in erster Linie die alte Eisenstadt am Fuße der Styraburg. Ihre wohlhabende, der Lehre Luthers ergebene Handwerkerschaft widmete sich frühzeitig der „holdseligen Kunst", die durch die mannigfachen Beziehungen Steyrs zu den grö- ßeren deutschen Städten wesentlich gefördert wurde. Als Ahnherr der Steyrer Meistersinger wird Hein- rich von Ofterdingen genannt. Obwohl der Nürn- berger Jeronimus Rieger schon im Jahre 1542 zu Steyr das Meisterlied „Klag' über alle Welt'" dich- tete, läßt sich nicht mit Beslimmlheil der Bestand einer Singschule um diese Zeit nachweisen. Ebenso fraglich ist es, ob Hans Sachs anläßlich seines Wel- ser Aufenthalles auch Sleyr b suchle. Erst im Jahre 1562 nennl uns Lorenz W ssel, ein „Kürsch- ner und loblich Dichter" aus Essen, in einem zu Ehren der Steyrer Meislersinger gedichleten Liede die zwölf BPgründer des Meistergesanges in unserer Sladt, von denen allein zehn den eisenverarbeiten- dcn B rufen angehörten. Im gleichen Jahre schrieb r für sie auch das poetische Gesetzbuch, die Tabulalur. Die in den Bibliotheken zu Göttweig, Wien, Mün- chen und Dresden verwahrten Liederhandschriften oberösterreichischer Meistersinger nennen uns die Namen und vermitteln uns zum Teil auch die Dich- tungen der Steyrer Meistersinger. Ebenso enthalten die Ratsprotokolle im Stadtarchiv wertvolle Hin- weise. Von den 34 Meistersingern, die sich in Steyr ent- weder dauernd oder nur vorübergehend aufhielten, seien hier besonders erwähnt Severinus Kriegsauer, Peter Heiberger, Lorenz Hagmair und Niclas Lindt- wurm. Der Ahlschmied Severin Kriegsauer ist mit seinen fünfzehn eigenen Weisen (.,neue Jarweis, fronweis, Morgenweis, kurtze Affenweis" u. a.). die auch bei anderen Meistersingern sehr beliebt waren, nicht nur der berühmteste Meistersinger Steyrs, sondern ganz Oslerreichs. Sein Name findet sich im Steuer- buch aus dem Jahre 1567 und im Ratsprotokoll 1570. 28 DIE STIMME ÖSTERREICJIS Dem Nadler Peter Heiberger, der sich als „ein Liebhaber des deutschen Meistergsang zu Steyer" bezeichnet, verdanken wir zwei bedeutende Lieder- sammlungen, von denen die eine im März 1568 be- gonnen und am 10. Februar 1590 vollendet wurde. Wie aus den Ratsprotokollen ersichtlich ist, hielt er 1599, 1603 und 1607 eine Singschule. Er starb im Jahre 1623. Lorenz Hagmair, .,deutscher Poeterei Liebhaber", war Bürger und Messerverleger, dessen Erzeugnisse .,die Nader mit dem überworfnen Schwanz" zeigten. Er war vermählt mit der Messererwitwe Ursula Ridler und kündigte am 20. März 1626 sein Bürger- recht. Ein besonders eifriger Singer war schließlich der in der Pfarrgasse Nr. 7 behauste Bortenschlager Nikolaus Lindtwurm, dem 1599 das Bürgerrecht ver- liehen wurde. Von ihm stammt die „starke Lind- wurmweis" und die „rürende Rösselweis". Inner- halb von vierzehn Jahren holte er sich beim Rate siebenmal die Bewilligung zur Abhaltung einer Singschule. Zur Zeit der Gegenreformation nahm er wahrscheinlich Abschied von Steyr und dürfte sich in Kolmar seßhaft gemacht haben. In der Fastenzeit des Jahres 1600 probten die Kürschnergesellen ohne Wissen des Bürgermeisters und Stadtrichters für die Osterfeiertage ein Spiel vom König Jophata und zogen bei diesem Anlaß mit Panzerhemden und Schlachtschwertern durch die Gassen der Stadt. Von den Meistersingern waren Lindtwurm und jedenfalls auch der aus Frankfurt am Main zugewanderte Kürschnergeselle Peter Eck- hardt in diese Angelegenheit verwickelt. Dieses Vorkommnis ist deshalb bemerkenswert, weil damit die Teilnahme der Meistersinger von Steyr an dramatischen Spielen erwiesen ist. Wie ein Straßburger Meisterlied 1597 bezeugt, drang der Ruhm der Steyrer Meistersinger weit über die Grenzen der engeren Heimat: „Noch sind vor der zeit in der welt weit herrlich Dichter gewesen, findt man ihr nam bereit. noch leben heut

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2