Die Stimme Österreichs - Heft 50 - 1952 - Steyr

Die Einfohrung des Gregorianischen Kalenders Von Dr. Ilse Neumann Die Einführung des Gregorianischen Ka- lenders, die in den übrigen Ländern wie im Reich auf starken Widerstand der Protestan- ten stieß, ging in Steyr dank der Einsicht der oberennsischen Stände in ihre Notwendig- keit ohne besondere Streitigkeiten vor sich. Ein kaiserliches Generalmandat vom 1. Okto- ber 1583 befahl die Einführung des neuen Kalenders. Uberall im Reich wurde die An- nahme verweigert, da die Protestanten er- klärten, die Einführung des neuen Kalenders solle nur die päpstliche Herrschaft wieder aufrichten. Die Stände im Lande ob und unter der Enns jedoch erklärten auf eine Anfrage der Steiermärker, wie sie es halten würden, daß nach dem Urteil aller gelehrten Mathe- matiker diese Veränderung hochnotwendig sei und in kurzer Zeit alles wieder in Richtig- keit sein würde. Die Veröffentlichung ge- schähe nicht kraft päpstlicher Autorität, die hier nichts zu gebieten hätte, sondern kraft kaiserlicher und landesfürstlicher Gewalt. Daß das päpstliche Wort keine Gewalt hatte, beweist die Nichtachtung der bischöflichen Aufforderung vom 28. April 1582 zur Kalen- derreform, zur Auslassung der Tage vom 4. bis 15. Oktober und deren Verlautbarung von den Kanzeln. Am 30. Oktober 1582 be- richtete Pfarrer Michael Huber von Wald- kirchen dem Propst von St. Florian, daß die Bauern die Feiertage nach der neuen Ord- nung nicht hielten und es große Verwirrun- gen gäbe. Auch der landesfürstliche Befehl mußte am 20. Jänner 1584 wiederholt, der Verkauf der alten Kalender verboten wer- den, bis die Änderung allmählich durch- geführt wurde. In Steyr erhielt das Ministerium vom Rat der Stadt den neuen Kalender übersandt mit der Bitte, seine Bedenken bekanntzugeben. Am 1. November sollte das Ministerium vor dem Rat den Kalender besprechen. Am 18. November wurde dem Landeshauptmann gemeldet, daß das Ministerium den Kalender angenommen habe, ihn aber nicht von der Kanzel herab publizieren wolle, da es doch eine papistische Verordnung wäre. Der Lan- deshauptmann Helfrich von Meggau bestand jedoch auf der Verkündigung. Trotz mancher „starken" Predigt dagegen während der Weihnachtsfeiertage, die niemand nach dem alten Kalender halten wollte, berichten die Ratsprotokolle vom 13. Jänner 1584, daß er vom Ministerium publiziert wurde wegen des Kaisers Ungnade trotz der Gefahr, deswegen für papistisch und abgefallen zu gelten. Am 9. März wurde das zweite kaiserliche Gene- ralmandat vom 20. Jänner 1584 in Steyr pu- bliziert und der alte Kalender für abgeschafft erklärt. Die Befürchtungen, die bei der An- nahme im Ministerium lautgeworden waren, stellten sich als nicht unbegründet heraus. Die Glaubensgenossen im Reich verübelten den Steyrern die Gefügigkeit in dieser Frage so sehr, daß sie dem Sohn des ehemaligen Pfar- rers Laurenz Twenger einige Monate später in Regensburg die Ordination verweigerten. HJ. Dorothea vom Nordportal der Stadtpfaukirche, eine der schönsten gotischen Plastiken in Steyr DIE STIMME 2 7 ÖSTERREICHS

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