Die Stimme Österreichs - Heft 50 - 1952 - Steyr

hieß: ,,Lehre mit Lust, was du gelernt hast." Dabei mußte der Freizusprechende, dem der Innungs- becher zum Trunk gereicht wurde, eine Silbermünze spenden, die den Innungsbecher zierte. Dieses Handwerk, das seine Waren nach allen Teilen der Welt lieferte, hatte eine besondere wirt- schaftliche Bedeutung und stand daher unter dem Schutz der regierenden Fürsten. Schwere Zeiten wechselten mit guten Tagen, wie uns ein kurzer Be- richt aus der Schoiberschen Chronik zeigt: 1529 blieb auch die Raming durch den Einfall der Türken nicht verschont. 1588 meldet der Chronist 134 Klingschmiedemeister am I amberg. Bedenkt man, daß jeder Meister C'inig<' CC'scll n beschäftigle, so slellte dies an- SC'hnlichc 13C'LriC'bc dieses Berufszweiges dar. Um di<'S<'lbc Z<'il rollclcn sich Schmiede, SchlC'ifc•r \111cl J<öhlN ans <IN Raming zusam- mc'n und schworc-n, sich mit d<'n Lullwranc-rn zu vc1bindc-n. 1580 wanderlen wegen der Reformalionsslrcilig- kcitcn einige Klingschmiccl fo.mili n ins Rhein- gebiet und siedellen sich dort an. Ende des 16. Jahrhunderts geschah es öfters, daß sich Schmiedegesellen in Steyr selbständig machten, ohne die erforderliche Geschicklich- keit und Kenntnis zu besitzen. Sie erzeugten damals um sehr niedere Preise schlechte Ware, und so kam die berühmte norische Klinge in Gefahr, ihren Weltruf zu verlieren. Aber die Meister der Raminger Innung verschärften als Gegenmaßnahme ihre Handwerksartikel und traten diesen Qualitätsminderungen entgegen. 1625 zwang Stephan Fadinger die Schmiede von Steyr, eine 100 Klafter lange Kette von schwe- ren eisernen Gliedern zu schmieden, mit der er die Donau bei Aschach absperrte. 1627 erschien ein Edikt Kaiser Ferdinands II., worin der lutherische Glaube verboten wurde. Daher kam es wieder zu Unruhen und Aufständen. Zu allem Unglück brach noch die Pest aus und raffte viele Menschen dahin. 1634 war wieder ein Pestjahr im Gefolge des Drei- ßigjährigen Krieges. 1683 Türkenbelagerung. Während das Hauptheer Wien belagerle, zogen Raubseharen durch das Land. Auch das Ramingtal blieb davon nicht vcrschonl. 1713 wülel zum letztenmal die Pest. Hier trat sie so heftig auf, daß die Bevölkerung ganzer Häu- ser ausstarb, darunter einige Klingschmiede- familien. 1732 besuchte Kaiser Karl Garsten und ritt von hier aus auf den Damberg zur Jagd. Die Berghöhe wurde für diese große Jagd mit einem hohen Wildzaun eingefriedet, innerhalb diesem viel Hirsche, Rehe und Raubwild zusammengetrie- ben wurden. Der Kaiser mit seinem Gefolge sprengte dem Wild zu Pferde nach, um es zu erlegen. Daher heißt der langgestreckte Höhen- zug am Damberg heute noch der Rennweg. Im letzten Teil dieses Jahrhunderts begannen die Franzosenkriege. Um 1800 kamen die Scharen Napoleons schon nach Steyr. 22 DIE STIMME. ÖSTERR~ICHS 1805 suchten die Franzosen die Raming heim und verübten manche Gewalttaten. Noch weit ärger war es um 1809. Wer sein Haus verlassen konnte, suchte das Weite. Be- sonders die Gegend um den Kohlergraben war voll besetzt mit Flüchtlingen. Nicht reguläres Militär, sondern pfälzische Marodeure sollen in der Gegend gehaust haben. Die Zeit von 1820 bis 1850 war den Messerschmieden in der Raming sehr günstig. Es gab viel Arbeit und sehr guten Verdienst. Die Meister konnten den reichlichen Bestellungen oft gar nicht nach- kommen. Um das Jahr 1830 soll es öfter geschehen sein, daß die Steyrer Messerer den Schmiedefrauen auf der Ennsbrücke vorpaßten, um ihnen auf dem Weg ins Bürgerspital die fertige Ware abzukaufen, wobei einer den anderen im Preis überbot. Die Klingschmiede fanden dabei ihre gute Rechnung. Da klopfte und hämmerte es im ganzen Ramingtal bis hinan zum Damberg, von früh morgens bis spätabends, mit Emsig- keit und größtem Fleiß. Wenn die Kling- schmiede gut lebten, nahmen daran alle Hand- werker und Bauersleute teil. Wie lebhaft ging es auf der Straße nach Steyr zu, wo ein Koh- len-, Ilolz- oder Steinfuhrwerk dem anderen folgle. Dazwischen wanderten Frauen mit Kopf- körben und Jünglinge mit Buckelkörben, die bei jedem Schritt unter der Last der eingepack- ten Stahl- und Eisenwaren krachten. Wohl mancher Landbauer empfand geheimen Neid über die guten Verdienste der Klingschmiede. 1870 war wieder eine schwere Zeit für die Kling- schmiede der Raminger Innung. Die Messerer aus Steyr bestellten keine Ware. Dies wirkte sich auf_ das ganze Handwerk lähmend aus. Trotz billiger Preise und bester Qualität konn- ten die Waren keinen Absatz finden. Die tie- fere Ursache der Geschäftslosigkeit lag in der Errichtung der ersten Messerfabriken wie zum Beispiel der Ludwig Werndlschen in Steyr. Be- sonders im Rheinland, in Solingen, war man sehr fortschrittlich, führte technische Neuerun- gen ein, die bei uns in den achtziger Jahren noch nicht bekannt waren. Die Solinger Schmie- den bildeten somit eine gefährliche Konkurrenz, in denen die Klingen bereits auf maschinelle Weise hergestellt wurden. Die von dort stam- menden Erzeugnisse waren so billig und gut, daß es den Handwerksmeistern trotz aller Be- mühungen nicht gelang, ihre Betriebe zu er- halten. Nicht zu übersehen ist die äußerst kon- servative Haltung, die die Schmiede gegen jede Neuerung einnahmen, so daß trotz großzügiger staatlicher Hilfe diesem einst blühenden Handwerk nicht geholfen werden konnte. Eine Werkstätte um die andere wurde geschlossen, Zünfte aufgelöst, Meister und Gesellen wanderten in die neugegründete Waffenfabrik Josef Werndls, in der sie bei leichterer Arbeit besseren Verdienst fanden. Um 1907 schloß der letzte Klingschmied, Bein- hackl, am Damberg seine Werkstätte für immer. Kein Klingen der Hämmer stört die friedliche Stille des Damberges und aus den vielen Essen zieht kein Rauch in die frische Morgenluft zum Himmel. Eine Kulturepoche köstlichster Eigenart hatte damit ihr Ende ge- funden. Quellen: Werk der o.-ö. Industrie, aus der Chronik: ,Die Raming und ihre Bewohner" von Gottlieb Schoiber und aus der Erinnerung des Herrn Messerfabrikanten Jos.ef Hack.

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