Die Stimme Österreichs - Heft 50 - 1952 - Steyr

Türkennot, Glaubensstreitigkeiten, Seuchen und Uberschwemmun- gen zeigen uns die Geschichtsblätter des 16. Jahrhunderts einerseits. Dazu kamen zahlreiche Brände, die hauptsächlich in der feuergefähr- lichen Beleuchtung ihre Ursache hatten. Anderseits verzeichnete die Stadt in diesem Jahrhundert einen ungeheuren kulturellen und wirt- schaftlichen Aufschwung. Am besten wird dies durch die aufgebrach- ten Steuersummen illustriert. Von den 7 landesfürstlichen Städten ob der Enns brachte Steyr allein 30% der Gesamtsteuersumme auf. 1583 gründete eine Vereinigung von Steyrer Bürgern, unter Garantie der Stadt, eine Vereinigung zum Zwecke des Eisenverlages, die im weiteren Verlaufe 1625 zur Gründung einer Erwerbsgesellschaft auf Gewinn und Verlust zum Betriebe der Radwerke und Hämmer und des Verschleißes und Verlages deren Erzeugnisse, der „Innerberger Hauptgewerkschaft", führte. 1628 trat die Stadt in die Verlagsrechte der Eisenhandelsgesellschaft ein. Im 17. Jahrhundert (1620) gelangte Oberösterreich und damit auch Steyr unter bayrische Pfandherrschaft. Zum Statthalter wurde der in den Bauernkriegen bekannt gewordene Graf Herberstorf ernannt. Eine der Ursachen der Bauernkriege war die durch Ferdinand II . ver- ursachte Gegenreformation, eine andere dürfte in den sozialen Span- nungen der Zeit zu suchen sein. Am 31. Mai 1626 zog der Bauernhauptmann Stefan Fadinger, vom Stadtrichter Wolfgang Madlseder dazu heimlich aufgeforderl, mit 40.000 Bauern und 20 Kanonen in Steyr, das für die Bauernarmee ein wichtiger Mittelpunkt wurde, ein. Die Gegenreformation bewirkte, daß viele Steyrer Bürger auswandern mußten oder freiwillig in der Fremde ihr Glück suchten. Mit sich nahmen sie ihre durch Genera- tionen erworbenen Fertigkeiten der Eisenbearbeitung. Die Franzosenzeit brachte der Stadt große Lasten; 1800, 1805 und 1809 erpreßten die französischen Besatzungen große Kontributionen. Hammerwerke und Gewehrfabriken hatten unentgeltlich für die Be- satzungstruppen zu arbeiten. Not und Elend herrschten. Die Stadt- verwaltung selbst stand vor dem Bankrott und sie mußte wegen der großen Schulden die für den Innerberger Gewerkschaftsanteil empfangenen Obligationen billig verkaufen. Der Fleiß der Schmiede überwand auch diese Notzeit. Noch stand das alte Eisenhandwerk in Blüte, aber seine Tage waren schon gezählt. Maschinen und Kohle brachten die Industrialisierung. Die privaten Werkstätten wurden · 1786 vom Staat aufgekauft, zu einer k. k. Feuergewehrfabrik zusam- mengefaßt und einer Lokaldirektion untergeordnet. Diese Feuer- gewehrfabrik erzeugte nur Armaturteile. Unter den Waffenteilerzeu- gern galt 1840 als der bedeutendste Leopold Werndl, dessen genialer Sohn Josef in der Folge 1855 die erste österreichische Waffenfabrik gründete und damit Steyr, das zum Waffenlieferanten vieler euro- päischer und überseeischer Staaten wurde, einer neuen wirtschaft- lichen Blüte entgegenführte. 1884 eröffneten Josef Werndl und Dok- tor Hochhauser die erste elektrische Ausstellung des Kontinents, auf welcher erstmalig eine durchlaufende Straßenbeleuchtung mit Bogen- lampen gezeigt wurde. Die Industrialisierung der Stadt drückt sich auch in deren flächen- mäßigen Entwicklung aus. Noch 1884 hatte die Stadt einen Umfang von nur 364 ha, 1952 einen solchen von 2642 ha. Die Industrien liegen an der Peripherie, der Kern der Stadt mit seinen einzigartigen Bau- denkmälern blieb als geschlossene Einheit erhalten. Der zweite Welt- krieg hatte die Ansetzung von einer Reihe neuer Industrien in der Stadt zur Folge, unter denen besonders die Bijouterieerzeugungs- stätten Sudetendeutscher hervorgehoben werden mögen. Die alten Schmiedefeuer sind erloschen; die vielen von fleißigen Gesellen geschwungenen Hämmer wurden zur Seite gestellt. Die große Tradition der Eisenverarbeitung, der Steyrer Qualitätsarbeit, wird, dem neuen Zeitalter der Industrie entsprechend, von den Steyr- Werken, den Hack-Werken, dem Betriebe der Brüder Riha und ande- ren hochgehalten. (Zeichnungen der Stadtsiegel: Oberbaurat Dipl.-Ing. Friedrich Berndt) 1798 1876 1900 1938 1939 DIE STIMME 19 ÖSTERREICl/S

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