Die Roten am Land

D iese beiden Männer wurden denn auch als die zwei Referenten für Forstwirtschaft und Servitute (das heißt Nutzungsrechte in den staatlichen Forsten) in den ersten Vorstand der oberösterreichischen Arbeitsbauern in der Zweiten Republik gewählt. Gewerkschaftsarbeit unter Land- und Forstarbeitern Als Karl Spielbüchler am 22. Juni 1911 in Gosau geboren wurde, kaufte sich im selben Jahr der damals 32jährige Eisenbahner Leopold Reiter ein „kleines Sacherl", genannt ,,Dornbauer", mit 0,177 Hektar Grund in Spital am Pyhrn, im bergigen Süden Oberösterreichs, pachtete 1,48 Hektar dazu und begann im Nebenerwerb eine Landwirtschaft zu betreiben. Außerdem gehörten zum „Dornbauer" einige Servitutsrechte von den Bundesforsten. All das war ausreichend, um eine Kuh, einige Geißen und Hühner zu halten sowie das notdürftigste für den Hausgebrauch anzupflanzen. Leopold Reiter, geboren am 25. Oktober 1879, stammte vom 42 Hektar großen Oberrannergut, ebenfalls in Spital am Pyhrn. Er war eines von sieben weichenden Geschwistern, verdingte sich längere Zeit als Taglöhner, bis er eine Beschäftigung bei den k.k. Eisenbahnen fand. Das ermöglichte ihm, 1905 zu heiraten und eine Familie zu gründen. Seine Ehefrau Maria, die bereits 1928 verstarb, gebar 13 Kinder, von denen jedoch nur drei das Säuglingsalter überlebten. 1930 ging Leopold Reiter eine zweite Ehe ein, wobei seine Frau Sophie einen Sohn in diese Ehe mitbrachte. Zum Kauf des „Dornbauer" bewog ihn einerseits landwir tschaftliche Neigung, andererseits verdiente ein Hilfsarbeiter bei der Eisenbahn nicht ausreichend, um eine Familie versorgen zu können. Politisiert worden im Sinne der Sozialdemokratie war Reiter bereits als Taglöhner. Dort kam er auch mit gewerkschaftlichem Gedankengut in Berührung. Bei den Staatsbahnen wurde dieses Engagement intensiver, sodaß aus ihm einer der führenden sozialdemokratischen Funktionäre und Bildner in einer ländlichen Gegend wurde. Nichtsdestoweniger blieb bei Leopold Reiter, wie bei so vielen Landarbeitern, Taglöhnern und Bauernkindern, der Wunsch nach landwirtschaftlichem Eigentum wach. Den konnte er sich nun erfüllen, was ihn aber auch veranlaßte, für die selbstarbeitenden Bauern sowie für die Pächter und die Servitutsberechtigten politisch einzutreten. Karl Spielbüchler wurde hingegen in die Verhältnisse, die sich Leopold Reiter geschaffen hatte, schon hineingeboren: als zweites von sechs Kindern eines Forstarbeiters und Nebenerwerbsbauern in Gosau bei Gmunden. Die Familie Spielbüchler hatte an die zwei Hektar Grund und ebenfalls Servitute von den Bundesforsten. Allerdings wurde Karl Spielbüchler schon früh mit sozialistischem Gedankengut vertraut, da sich bereits sein Va ter der Gewerkschaft der Land- und Forstarbeiter und ebenso der sozialdemokratischen Partei angeschlossen hatte. Diesen Schritt vollzog Karl bei seinem Eintritt ins Berufsleben - ebenfalls als Forstarbeiter - und wurde nun außergewöhnlich aktiv. So übernahm er 1927 die Obmannstelle der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) in Gosau und 1929, also mit 18 Jahren, dieselbe Funktion für den gesamten Bezirk Gmunden. Eng damit verbunden waren seine ersten gewerkschaftlichen Aktivitäten bei den Forstarbeitern. Spielbüchler hatte das für die damalige Zeit außergewöhnliche Glück, als Spitzenfunktionär der SAJ zu Partei- und Gewerkschaftsschulungen geschickt zu werden und so hervorragende Lehrer wie Otto Glöckel, Karl Seitz und Otto Bauer zu haben; letzterer widmete einen Teil seiner Forschung besonders der Verbreitung sozialistischer Ideen unter Landarbeitern und Kleinbauern. Die ersten Aktionen, die Spielbüchler organisierte, galten der Abwehr der aufkommenden faschistischen Gefahr: sowohl des österreichischen Faschismus als auch, besonders ab 1932, des Nationalsozialismus. Spielbüchler bemühte sich schon als junger Funktionär um ein gemeinsames Vorgehen von Landarbeitern und den Ebenseer Fabriksarbeitern. In der Folge des 12. Februar 1934 kam es in dem gut organisierten Bezirk Gmunden zu wirkungsvollen Aktionen. So wurden in Ebensee die Züge gestoppt, die Gendarmerie wurde entwaffnet. Doch drang bald Militär in den Bezirk vor und setzte dem Widerstand ein Ende. Spielbüchler wurde in der Folge dreimal verhaftet, die Reisedokumente wurden ihm abgenommen. Trotzdem reiste er - mit dem Paß seines Bruders - als Delegierter des Salzkaminerguts nach Brünn zur illegalen Konferenz der Sozialdemokraten, an der auch Otto Bauer, Julius Deutsch, Friedrich Adler, Bruno Kreisky und andere teilnahmen. Dort bekam er Anweisungen für die in Oberösterreich tätigen Revolutionären Sozialisten, die er an Edmund Aigner und Fritz Dametz weiterleiten sollte. Sein Begleiter und er merkten auf der Rückfahrt nach Österreich, daß sie beobachtet wurden, und hatten Mühe, in Linz die Spitzel abzuschütteln. Die Tradition der Arbeiterbewegung im Salzkammergut war nach dem Zusammenbruch der Nazi-Herrschaft stark genug, daß gleich eine schlagkräftige Organisation zur Verfügung stand. Karl Spielbüchler wurde von den Amerikanern als Bürgermeister von Gosau eingesetzt und in den nächsten 31 Jahren bei allen Wahlen in diesem Amt bestätigt. 85

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