Die Roten am Land

Andreas Resch ,,Rotes Gsott'' und christlichsoziale Bauern Der Steyrer Landarbeiterstreik im Jahre 1922 Im Jahr 1922 geriet das Lohngefüge in Österreich durch die dramatische Inflationsentwicklung in heftige Turbulenzen. Vielerorts traten Industriearbeiter in Streiks, um eine Anpassung ihrer Bezahlung entsprechend der Geldentwertung durchzusetzen. In dieser Situation kam es zu einer der wenigen aufsehenerregenden Massenaktionen von alpenländischen Landarbeitern: zum Streik in der Steyrer Gegend im Juni 1922. Laut Angabe der Landarbeitergewerkschaft beteiligten sich etwa 300 Dienstboten an dem Ausstand.1 Von christlichsozialer Seite wurde berichtet, daß 32 Bauernhöfe von der Arbeitseinstellung betroffen gewesen seien.2 In Oberösterreich gab es weniger landwirtschaftliche Großbetriebe als in Niederösterreich und im Burgenland. Die Agrarstruktur in den westlicheren Bundesländern brachte es mit sich, daß die Landarbeiter vorwiegend als Dienstboten beschäftigt waren. Das heißt, sie lebten zumeist im häuslichen Verband mit dem Dienstgeber und waren pro Betrieb nicht sehr zahlreich. Als Folge dieser Verhältnisse gab es in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg in den westlichen Bundesländern weniger klassenkämpferische Solidarisierungsaktionen als etwa in Niederösterreich, wo die sozialdemokratische Landarbeitergewerkschaft ein Hauptaugenmerk ihrer Tätigkeit darauf legte, kollektive Aktionen unzufriedener Landarbeiter in Lohnforderungen zu kanalisieren.3 Wie konnten Landarbeiter und Dienstboten ihre Interessen vertreten? Ließen sich fortgeschrittene gewerkschaftliche Organisationsformen der industriellen Arbeitswelt in der Landwirtschaft durchsetzen? Klassenkämpfe sind Lernprozesse: ein ungewöhnlicher Versuch aus der Gegend um Steyr am Anfang der zwanziger Jahre. 81

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