Oberen. Ihm unterstand ein Gehilfe, dem er die Arbeit anschaffen mußte. Dieser setzte sich dagegen auf seine Art zur Wehr. Herr L. erinnert sich: „Doa is oana gwen, a tüchtiga Bursch, aber nu, du has t hoalt a miaßn diktiern - so und so - ah! da is er wüd warn. Doa hoa t er gsoagt: Du bist da erste, den i oabstich." Heute verkehren beide in freundschaftlichem Verhältnis, ohne daß sein ehemaliger Gehilfe seine Verbalattacke gegen ihn als Vorgesetzten hat wahr werden lassen . Wie die eigene Erfahrung von Herrn L. zeigt, war es nicht einfach, Protest zu äußern. Dienstboten mußten - wagte einer es dennoch - mit allen Konsequenzen, das hieß auch Entlassung, rechnen . Der Spielraum für gemeinschaftliches Handeln war begrenz t, wollten sie kein Risiko eingehen. Gerade in den 1930er Jahren war es auch für Arbeitskräfte in der Landwirtschaft nicht so einfach, eine andere Arbeitsstelle zu finden. Die zweifellos zwischen Bauern und Dienstboten bes tehenden Unterschiede des gesellschaftlichen Ranges wurden jedoch durch ihre gemeinsame religiöse Gesinnung abgeschwächt. Nach der Dienstbotenordnung stand dem Bauern das Recht zu, die Dienstboten zum Kirchenbesuch anzuhalten. Der Bauer auf Schloß Kammer sah es gerne, „wenn die Knecht oalle, wenn möglich, in sein Stuhl (der Bauer hatte einen eigenen Kirchenstuhl) si einigsetzt haum", erinnert sich Herr L. Zwingen freilich konnte der Bauer die Dienstboten nicht, doch es gab am Sonntag nach acht Uhr einfach kein Frühstück mehr. Die Kinder des Bauern unterlagen dessen direkter Autorität. „Beim Kirchagehn doa woars scho aso: De Buam haum vorda seiner gehn miaßn, dös hoat genau sein miaßn. " Heimat Arbeitsplatz Für die meisten Dienstboten auf Schloß Kammer war ihr Arbeitsplatz zugleich ihr Zuhause. Der Großteil der Dienstboten blieb unverheiratet, die anderen heirateten spät. Im Salzburger Pinzgau betrug im Jahre 1870 der Anteil der unehelichen Kinder 36,12 Prozent. Die Bindungen zur Familie waren oft nur lose. Herr L. stellt somit keinen Einzelfall dar. Als dieser sich einmal wegen Krankhei t bei seiner Mutter aufhielt, mußte er am Tag 1 1/ 2 Schilling bezahlen; das war mehr, als ein Dienstbote im Tagesdurchschnitt verdienen konnte. Die meisten Dienstboten kannten also kein anderes Zuhause als ihre Arbeitsstelle. „Di net verheiratet gwen san, haum eh koa andere Hoamat ghoabt wia di, da hoa ts eh nix anders gebn . .. Mei Muata war in Saa lfelden verheiratet. Di hoab i Jahre net gsehn, net, jaja, woas soll i denn machn, vergwöhnst di ja ganz, kimmst ja net in Kontakt, net - i hab miaßn sogar nachant, wia i amoa l mit di Fiaß aso z' tuan ghoabt hab, weil i amoal überhaupt net könna hab, i hab miaßn dahoam .. . zahln, oan Schilling fünfzig zahln. Wenn i net a sparsama Teifl gwen wa, hä tt ' i ja ne t amoal oan Schilling- doa hoa t ja dazumoal a net amoal a jeda oan Schilling fünfzig ghoabt bein Toag; ja, doa san ja Weiwaleit gnuag gwen, di glei 15 Schilling ghoabt haum im Monat oder woas denn oder 30, 20, 30 woans a guate gwen is ... " Der geringe finanzielle Spielraum, das Fehlen eigener Familienverbundenheit, die Unmöglichkeit eigener Familiengründung - all das waren Faktoren, die bei Dienstboten die Herausbildung eines eigenen Gruppenbewußtseins erschwert haben . Dazu kam als weiterer Faktor eine relativ hohe Mobilität. Im Regelfall wurde jährlich - mitunter auch während des Jahres - der Dienstplatz gewechselt. Maria Lichtmeß am 2. Februar war Zahltag. Der Tag davor wurde von den Dienstboten als sogenannter „Zuadeantag" (Dazudientag) bezeichnet. Über diesen Tag ging unter ihnen der Spruch: ,,Den Tag muaßt du umasist (umsons t) oarbeitn für die Zeit, woas du scheißn gaunga bis t. " Am Nachmittag des 2. Februar wurden die Dienstboten in der Kammer des Bauern ausbezahlt. Bei Schnaps und neben vorbereiteter Butter, bei Käse oder „Kletzenbrot" wurden noch ausständige Lohnzahlungen mit den scheidenden Dienstboten beglichen . Mit den neu ankommenden Dienstboten unterhielt sich der Bauer über deren künftigen Arbeitsbereich. Auch einigte man sich über die Lohnforderungen. Die angeführten Beispiele geben keine umfassende Antwort darauf, weshalb sich die landwirtschaftlichen Arbeitnehmer Salzburgs bis nach dem Zweiten Weltkrieg nicht selbständig organisier ten. Sie zeigen lediglich die erschwerenden Umstände auf, wie sie in der Funktionsweise der bäuerlichen Gesellschaft und der bäuerlichen Arbeitsorganisation begründet waren. Ein entscheidender Grund für die lange verhinderte Organisierung der unselbs tändig Beschäftigten in der Land- und Forstwirtschaft lag bei den selbständigen Bauern, die darin eine Bedrohung der patriarchalischen Verhältnisse sahen. Auch Mobilisierungsversuche von seiten der christlichsozialen Arbeiterbewegung scheiterten lange - nach Bundesländern jeweils in unterschiedlichem Ausmaß - am Widerstand der Bauern. Anmerkung ' Zitate aus dem Interv iew mit Herrn Matthias L. (Pseudonym) aus Ma ishofen am 3. März 1989. Angaben zu Schloß Kammer verdanke ich Frau Neumayer, In terview am 31. Jänner 1989. 77
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