Die Roten am Land

gearbeitet werden mußte. Mit welchen Mitteln dies erzwungen wurde, stellte er ebenfalls im Jahre 1893 unter Beweis, als er einige Tage vor dem 1. Mai „6-8 socialistisch angehauchte Arbeiter" entließ. Mehrfach kam es deswegen zu Demonstrationszügen der Waffenfabriksarbeiter nach Unterhimmel. In einer Möbelfabrik in Weyer wurden im Jahr 1894 Arbeiter entlassen, die am 1. Mai fernblieben, daraufhin stellte am 2. Mai die gesamte Belegschaft die Arbeit ein. Diese Solidaritätsaktion hatte Erfolg - die entlassenen Arbeiter wurden wieder aufgenommen. Hauptthema der Veranstaltungen blieb weiterhin die Forderung nach dem Achtstundentag, wobei als Begründung nicht nur die gesundheitliche Gefährdung durch lange Arbeitszeit angeführt wird, sondern vor allem auch das Arbeitsplatzargument. „Bei langer Arbeit ist die Zahl der Arbeitenden gering, die Zahl der Feiernden groß. Je kürzer die Arbeitszeit, umso mehr Arbeiter müssen beschäftigt werden. Je größer aber die Nachfrage, je geringer das Angebot der Arbeitskraft, desto höher der Lohn." Daneben tauchte jedoch zunehmend die Frage des allgemeinen Wahlrechts in den Forderungen auf, bis im Jahr 1897 mit der Reform des Kurienwahlrechts - die jedoch noch kein gleiches, direktes Wahlrecht bringt - erstmals sozialdemokratische Abgeordnete in den Reichsrat kommen. Immer stärker wird auch die internationale Solidarität betont und werden Friedensbemühungen der Sozialdemokratie in den Vordergrund gerückt. In diesen Jahren wächst auch die Menge des verwendeten Agitationsmaterials rasch: Zeitungen, Zeitschriften, Broschüren, Plakate, Flugschriften und Streuflugzettel propagieren die Forderungen und werben für die Veranstaltungen - verfallen aber sehr häufig auch der Konfiskation durch die Behörde. In besonderem Maße hat es die Polizei auf Fahnen und Standarten abgesehen, die meist sofort nach ihrem Auftauchen beschlagnahmt werden. Umfangreiche Erhebungen der Gendarmerie und eine Anzeige beim Bezirksgericht löste die Anfertigung einer roten Fahne für eine Veranstaltung am 1. Mai 1893 in Gmunden aus. Immer noch bestand die Angst vor Anarchisten. Ein zufällig am 1. Mai ausgebrochener Brand einer Scheune im Bezirk Vöcklabruck wurde genau untersucht, bis erleichtert festgestellt werden konnte, daß er „mit socialistischen Umtrieben nicht im Zusammenhang" stand. Auch bei zwei Bränden im Bezirk Braunau am 1. Mai 1892 wird berichtet, es sei nicht zu vermuten, daß sie mit der „anarchistisch-socialistischen Bewegung in Verbindung" stünden. Aber schon die einfache Veröffentlichung eines Aufrufes zur Maifeier konnte zur Verhaftung führen - etwa in Gmunden 1894. 60 Konservative Blätter, die sich sonst eher bemühten, die Ereignisse um den 1. Mai zu verschweigen oder nur in kleinen Notizen darüber zu berichten, konnten mitunter nicht anders, als sich über den ruhigen Verlauf der Feiern zu wundern. „Der Verlauf des 1. Mai, welcher durch die Demonstrationen für den Achtstundentag in den meisten Ländern Europas eine außergewöhnliche Bedeutung erhielt, rechtfertigte in wohltuender Weise die Hoffnungen auf eine ruhige, besonnene Haltung der Arbeiter"8 - so der Steyrer „Alpenbote" 1892. Nach einem Hinweis auf „anarchistische Schandtaten" wird gelobt: ,,Die Organe der Polizei hatten keinen besonderen Anlaß, einzuschreiten. Unsere Arbeiterbevölkerung hat gezeigt, daß zwischen ihren Bestrebungen und dem verwerflichen Treiben der Anarchisten keinerlei Gemeinschaft besteht." Obwohl es Jahr für Jahr zu keinen Unruhen oder Ausschreitungen in erwähnenswertem Ausmaß kommt, werden in einigen Orten und Städten immer wieder Verstärkungen der Gendarmerieposten oder die Bereitstellung von Militärassistenzen angeordnet. Die Behörde greift auch mehrfach in den Ablauf von Veranstaltungen ein und untersagt immer wieder die Behandlung bestimmter Themen. Abweichungen vom angemeldeten Programm sind grundsätzlich unzulässig. In Anweisungen an die Staats-Telegraphen-Stationen wird sichergestellt, daß in der Zeit vom 30. April bis 2. Mai Permanenzdienst geleistet wird, und zwar nur für den dienstlichen Verkehr. Das soll gewährleisten, daß im Falle von Ausschreitungen rasch Meldung erstattet und der Einsatz von Militär angefordert werden kann. Doch gibt es Behördenvertreter, denen alle diese Vorsichtsmaßnahmen und das repressive Vorgehen bei den geringsten Verstößen nicht ausreichen. Der Bezirkshauptmann von Gmunden beklagt sich einmal, daß die Strafrechtspflege nicht scharf genug sei, sonst wäre es leichter möglich, die besonders radikalen Arbeiterführer „abzuschaffen". 1901 bis 1913: Wahlrecht, Arbeiterschutz, Antimilitarismus ,,Die verheerenden Wirkungen der Kriegsrüstungen, der Kriegshetze und der Kriegsgefahr, die wir in den letzten Monaten erfahren haben, befestigen in uns die Überzeugung, daß die Völker nicht im blutigen Kriege gegeneinander, sondern nur im gemeinsamen Kampfe gegen politische Knechtung und wirtschaftliche Ausbeutung sich befreien können.' '9

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