Die Roten am Land

D ie Vorbereitungen für diese erste Maifeier setzten schon im Herbst 1889 ein. In einem Rundschreiben des Innenministers wurde mitgeteilt, daß „bei dem internationalen socialistischen Arbeiter-Congresse (der Marxisten) in Paris" eine Resolution beschlossen worden sei, am l. Mai 1890 solle „eine allgemeine Agitation (Massen-Demonstration) dafür in Scene gesetzt werden .. ., indem alle Socialisten und die von ihnen gewonnenen Arbeiter die Forderungen, welche diese Resolution enthält, an die Arbeitgeber stellen und dieselben mit Arbeitsstrike unterstützen werden." 3 In den Städten und Industrieorten veranstalteten lokale Organisationskomitees Versammlungen, in denen der Ablauf der Feiern festgelegt wurde. Meist war für den Vormittag eine Volksversammlung geplant, am Nachmittag oder Abend sollten Unterhaltungen mit Musik stattfinden . Hektisch gestalteten sich vielfach die Vorbereitungen der Behörden, die zu erwarten schienen, daß am 1. Mai die Revolution ausbricht. Diese Angst drückte sich vor allem in der Bereitstellung von Militär aus. In einem Schreiben des Corps-Commandos Innsbruck wurde der Kontakt zwischen den Bezirkshauptmannschaften und den Stationskommandanten angeordnet. Es sollten in den Tagen um den l. Mai keine Übungen stattfinden und die Truppen derart bereitgehalten werden, ,,daß ein rasches Abgehen der Truppen an den bedrohten Ort ermöglicht ist". In Steyr lag das Militär nicht nur in der Kaserne, sondern auch im Rathaus und in einer Schule in Berei tschaft. In den Ausflugsorten der Umgebung wurden die Gendarmerieposten verstärkt. Starke Truppen wurden in Mauthausen zusammengezogen, da man hier mit Unruhen unter den Steinbrucharbeitern rechnete. Im ganzen Land verliefen jedoch die Demonstrationen und Veranstaltungen ruhig und diszipliniert, sodaß es zu keinem Militäreinsatz kam. Die Behörde führte den ruhigen Verlauf auf ihre Vorbereitungen zurück: ,, ... wurde sohin durch die besagten Dispositionen und insbesondere durch den moralischen Eindruck, welchen das Erscheinen der militärischen Macht zufolge hatte, die lange und sicher vorbereitete Arbeitermassendemonstration vereitelt" - berichtet ein Beamter der Statthalterei aus Mauthausen. Eine Bezirkshauptmannschaft beabsichtigte, einen „Massenaufzug" der Arbeiter anläßlich des l. Mai zu bewilligen. Nun wurde in einem Rundschreiben des Innenministeriums darauf hingewiesen, daß solche Veranstaltungen grundsätzlich zu untersagen seien. Gleichzeitig erteilte das Ministerium den Auftrag, in entsprechender Weise bekannt zu geben, daß eine eigenmäch58 tige Arbeitseinstellung unzulässig sei. Es wurde auch bezweifelt, daß die Zusicherung der Arbeiterführer, sich bei den Maifeiern streng an den gesetzlichen Rahmen zu halten, eingehalten werden könne. Es sei kaum möglich, „den Zuzug und das Herandrängen auch solcher arbeitsscheuer Individuen zu verhindern, welche geradezu als Feinde der öffentlichen Ordnung bezeichnet werden müssen, und jeden ähnlichen Anlaß zu strafbaren und gefährlichen Ausschreitungen aller Art mißbrauchen". Ergebnis dieses ministeriellen Rundschreibens war die eingangs zitierte Kundmachung des k.k. Statthalters vom 22. April 1890. Aber nicht nur die Behörden, auch die Unternehmer hatten Angst, die Arbeiter könnten am l. Mai anderes vorhaben, als in die Fabrik zu gehen. Textilfabrikanten aus Kleinmünchen und Traun ließen gemeinsam ein Plakat drucken, in dem sie mitteilten, sie hätten beschlossen, daß der 1. Mai kein Feiertag sei. Sie erwarteten von ihren Arbeitern, daß sie ihrer Pflicht gewissenhaft nachkämen. Schon bei dieser ersten landesweiten Solidaritätsaktion der Arbeiterschaft versuchte man es mit Entsolidarisierung. So machte etwa in der oben zitierten Kundmachung der Statthalter darauf aufmerksam, daß die Arbeiter, die am l. Mai ihre Arbeit ordnungsgemäß fortsetzen, seinen vollen Schutz „gegen gesetzwidrige Störungen ihrer Tätigkeit" finden würden. Es sei nämlich zu erwarten, daß es „den in ihrer überwiegenden Mehrzahl gewiß ordnungsliebenden Arbeitern nicht immer möglich (sein werde), strafbare Ausschreitungen seitens übelwollender Individuen zu verhindern". Dazu paßt ein Bericht des Bezirkshauptmanns von Ried/ Innkreis an die Statthalterei vom 2. Mai: „Die wenigen Elemente, welche geneigt waren, sich durch die Feier des 1. Mai an der Arbeiter-Demonstration zu beteiligen, wurden hievon teils durch das Widerstreben ihrer Genossen, teils durch den entschlossenen Widerstand der Arbeitgeber und endlich durch die ernste Kundmachung des Herrn k.k. Statthalters ... abgehalten." Es kam auch zu Absprachen zwischen Unternehmern und der Behörde. Bei einem solchen Gespräch mußte der Bezirkshauptmann von Wels zur Kenntnis nehmen, daß die Lederfabrikanten den Arbeitern für d en Nachmittag des 1. Mai berei ts freigegeben hatten. Eine Arbeiterversammlung wurde jedoch in Wels untersagt, eine Abendunterhaltung dagegen konnte stattfinden. ,, In Stadl, wohin das Militär ... nur zum Schutz der Arbeiterschaft selbst gegen fremde Elemente abging, . .. waren Anzeichen vorhanden, daß Arbeiterzuzüge aus Steyrermühl und Kaufing erfolgen würden."

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