vermutlich nicht immer der Wahrheit entsprach. Auch der mehrmals erwähnte Entlassungsvermerk„wegen vorsätzlicher Ruinierung" deutet darauf hin. In vielen Fällen wurden die Eintragungen mit dem Zusatz „Darf nicht mehr aufgenommen werden" verstärkt. Schlecht entlohnte „Simulanten" Da es je nach Auftragslage starke Lohnschwankungen gab9 , kam es zu individuellen Lohnforderungen, was meist die sofortige Entlassung der Bittsteller bedeutete. 1877 schrieb eine sozialdemokratische Zeitung: „Lohnreduzierungen, Akkordabzüge, waren sei t dem Bestand der Waffenfabrik ununterbrochen an der Tagesordnung, jedoch nie in dem Maße wie jetzt, bei den ohnehin elenden Verhältnissen, wo der Arbeiter günstigstenfalls 7 bis 8 fl. verdient, ein Verdienst, mit dem man hier nicht auskommen kann, weil die Teuerung und der Wucher mit Lebensmitteln ein enormer is t."10 Dem ehemals selbständigen Büchsenmacher Josef Mischitz aus Ferlach reichte ebenfalls sein Arbeitslohn nicht aus: 1897 wurde er„wegen Straßenbettel" entlassen. Auch von anderen zugewanderten Gewehrspezialisten waren vereinzelt Austritte wegen zu geringer Lohnzahlungen zu verzeichnen. In einer Reportage über die Waffenfabrik wird von „ tristen Arbeitsverhältnissen, schlechten sanitären Anlagen, extremer Hitze im Sommer und Minusgraden in den Arbeitsräumen im Winter, fehlender Ventilation und Frischluftzufuhr" berichtet, 11 was zu einer starken Vermehrung der Krankheitsanfälligkeit führe".11 Nach mehreren Versuchen gelang der Arbeiterschaft in der Waffenfabrik 1890 di e Durchset zung des 10-Stunden-Tages: ein riesiger Erfolg, da in den Werkstätten der Messerer im nahen Grünburg beispielsweise 1889 noch täglich bis zu 16 Stunden gearbeitet wurde. Ebenso wurde 1890 der 1. Mai als Ruhetag für die Arbeiter freigegeben .12 Die Fabriksordnung legte bezüglich der Arbeitszeit eindeutig fest: „Wenn ein in der Fabrik Bediensteter die Arbeitszeit nicht genau einhält, ... unterliegt er unter Vorbehalt der sogleichen Entlassung einer Geldstrafe". Eine Verkürzung der festgesetzten Arbeitszeit gab es neben den kirchlichen Feiertagen zu Ostern, zu Pfingsten und zu Weihnachten nur noch am „Sylvestertage, am Fastnachtsdienstage und am Steyrer Jahrmarktsmontage". ,,Blaumachen", ,,unerlaubtes Fernbleiben" und „unerlaubter Urlaub" stand auf den Entlassungsschreiben von insgesamt 43 Lettner Fabriksarbeitern. Das Wegbleiben an sogenannten „abgebrachten Feiertagen" führte zunächst zu Lohnabzug und im Wiederholungsfall ebenfalls zur Entlassung. Als „Krakeeler wegen Feiertagsarbeit" wurde der Eisendreher Karl Grasberger am 10. Dezember 1894 ebenso aus dem Werk gewiesen wie 1897 ein bayrischer ,,Armaturenarbeiter" wegen „Nichtbefolgen des Auftrages, bis 6 zu arbeiten". Als weitere Entlassungsgründe wurden in der Fabriksordnung angeführt: „ Wenn ein in der Fabrik Bediensteter ... betrunken is t, geistige Getränke in die Fabrik mitbringt oder bringen läß t, in Zank und Schlägerei gerä t, wenn er eine ihm von seinen Vorgese tzten aufgetragene Arbeit nicht verrichte t, pfuscht, ... unnütz Gas verbrennt und sich eine Veruntreuung zu Schulden kommen läßt, unterliegt er unter Vorbehalt der sogleichen En tlassung einer Geldstrafe." Zwölf Werksarbeiter wurden wegen „unerlaubtem Alkoholkonsum", einer wegen „verbotenem Rauchen " aus der Fabrik gewiesen. Neben den einmaligen Delikten „Schlafen als Maschinenwärter" und „unkorrektes Vorgehen als Visitierer" wurden 24 meist auswärtige und jugendliche Arbeiter wegen 11Raufen und Stänkern" entlassen . Ebenso wurden sogenannte „Arbeitsverweigerer" bei minderbezahlten und gefährlichen Handlangerdiensten, ,,Simulanten " und ,,Nichtausfertiger der Arbei t" aus dem Werk gewiesen . Mit Geldstrafen noch einigermaßen glimpflich kamen jene davon, „welche sich in der Fabrik müßige Scherze erlauben, oder durch unnützes Herumstehen und zwecklose Plauschereien andere von der Arbeit abhalten". Anmerkungen ' ,,Steyrer Tagblatt", 4.8.1928. 2 Pfaffenwimmer, Michaela: Di e wirtschaftliche und soz iale Entwicklung der „Österreichischen Waffenfabriks-Aktiengesellschaft" unter der Leitung des Genera ldirektors Josef Wernd l 1869-1 889. Phil. Diss ., Wien 1985, S. 227. 3 Das „Arbeiterprotokoll 1" enthä lt von den 3006 zwischen 1853 und 1912 in das Objekt Letten au fgenommenen Arbeitern: Name und Geburtsdatum, Berufsangaben, Ein- und Austrittsdatum, Name und Adresse der Firma, bei der der Arbeiter zuletz t beschäftigt wa r, bzw. den Namen der Firma, zu der er abgewandert ist, d ie Bezeichnung der Gemeinde, die das Arbeitsbuch auss tellte sowie Vermerke zu den Entlassungsgründen. 4 Stockinger, Josef: Zeit di e prägt. Arbeiterbewegung in Steyr. Linz 1988, S. 20. 5 SPÖ-Sierning, Sektion Let ten (Hg.): Letten - erleb te Geschichte 18351963. Sierning o.J., S. 5. 6 Konrad , Helmut: Das Entstehen der Arbei terklasse in Oberösterreich. Wien-München-Zürich 1981, S. 150. 7 Stocki nger (wie Anm. 4), S_: 56. 8 Die Fabriksordnung der Osterreichischen Waffenfabr iksgesellschaft 53
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