Mähren wurde 1899 wegen „Geldausborgens von Arbeitskollegen" entlassen. Diese Vorarbeiter waren auch Garanten für die Zurückdrängung gewerkschaftlichen Denkens und der sozialdemokratischen Bewegung, die um eine Verbesserung der Situation der Arbeiter kämpfte. Die Mehrzahl der Beschäftigten waren Hilfsarbeiter. Ihr Arbeitsplatz war am unsichersten und den Auftragsschwankungen am meisten unterworfen. Bei Großaufträgen griff die Fabrik auf Hilfskräfte aus dem Einzugsgebiet der Fabrik zurück. Diese waren nach Durchführung des Auftrages auch meist wieder die ers ten, die entlassen wurden. Viele von ihnen waren verheiratet. Von der Arbeitslosigkeit waren daher auch ihre Familien besonders betroffen . Der Anteil der Ledigen vergrößerte sich mit der Entfernung des Geburtsortes von Steyr. Diese konnten ungebundener ihren jeweiligen Arbeitsort wählen, waren oft nur wenige Monate im Werk und zogen dann wieder weiter. ,,Agitationen über politische Zwecke" verboten - Schwäche der Arbeiterbewegung In Letten stoßen wir mit dem 1873 gegründeten „Arbeiterkonsumverein Oberletten-Steyr" auf eine frühe, anfangs vom Unternehmer geförder te Organisation.6 Seine Aktivitäten blieben - durch eine vorübergehende Schließung zwischen 1880 und 1889 unterbrochen - auf Letten beschränkt. Ers t im Mai 1921 glückte im nahen Sierning nach Überwindung des Widerstandes der örtlichen Kaufleute die Errichtung einer Konsumfiliale.7 In Letten gab es den ers ten Arbeitergesangsverein im Bezirk Steyr und ab 1894 eine sozialdemokratische Jugendorganisa tion. 1897 gründete sich in Neuzeug ein Arbeiterturnverein, und 1906 errichteten die Naturfreunde ihre Ortsgruppe. Der Erfolg dieser mit viel Sorgfalt betriebenen Vereinsgründungen war allerdings, gemessen an den gewonnenen Mitgliedern, gering: Sämtliche sozialdemokratischen Vorfeldorganisationen zählten mit Stichtag 30. Juni 1913 nicht mehr als 89, die Lokalorganisation in Neuzeug kam gar nur auf 28 Mitglieder. Erst in der Republik erfolgte der Aufschwung: Bei den Gemeinderatswahlen 1919 errangen die Sozialdemokraten in der Gemeinde Sierning, zu der Letten gehört, auf Anhieb 14 der insgesamt 30 Mandate. Der Neuzeuger Messerschmied Eduard Allmannstorfer, ein altgedienter Ortsvertrauensmann, bekleidete für einige Zeit das Bürgermeisteramt in Sierning. Der 1897 in Sierning gebildete „Katholische Arbei terund Handwerksverein" war ideologisch von einem starken, gegen die Sozialdemokratie gerichteten Antisemitis52 mus gepräg t. Seine Mitglieder waren Fabriksarbeiter aus dem Objekt Letten und kleinerer Metallbetriebe oder arbeiteten bei einer lokalen Baufirma. In der Waffenfabrik war - bei sofortiger Entlassung - jede politische Betätigung verboten.8 Die Fabriksleitung unterschied allerdings den jeweiligen politischen Standpunkt des einzelnen Arbeiters nicht immer genau. Entlassen wurde, wer den Mut aufbrachte, Mißstände beim Namen zu nennen und sich auch für seine Arbeitskollegen einzusetzen. Die gängigsten Begründungen waren dabei: ,,Agitator, Hetzer, Aufwiegler und Socialist". Entlassen wurde auch, wer nach Ansicht der Werksleitung ,,renitent" und „widerspenstig" war. Bis 1912 können insgesamt 67 Entlassungen aus eindeutig politischen Gründen nachgewiesen werden; fast zwei Drittel der Gemaßregelten waren Facharbeiter. Die Hälfte der Entlassenen wurde im Bezirk Steyr geboren, ein Viertel hatte ihre Heimatberechtigung im übrigen Oberösterreich, in Niederösterreich oder inWien, und ein Viertel ha tte aus Böhmen sozialistisches Gedankengut mitgebracht. Die Hälfte war vor dem Eintritt in Letten im Steyrer Metallgewerbe, in den dortigen Objekten der Waffenfabrik oder bei den Messererbetrieben im Steyrtal beschäftigt gewesen. Die andere Hälfte hatte il1re beruflichen und politischen Erfahrungen in Deutschland, Ungarn, der Schweiz sowie in Industrie- und Gewerbebetrieben in und um Oberösterreich gesammelt. Die Charakterisierungen „frech", ,,keck", ,,barsch", „ordinär", ,,grob" und „roh" konnten nicht eindeutig mit politisch begründeten Entlassungen in Zusammenhang gebracht werden. Insgesamt waren davon 15 Arbeiter betroffen. 1897 wurde der Schlosser Karl Begsteiger fristlos entlassen, da der Sierninger Unternehmer Reitter, bei dem er vor seinem Übertritt ins Objekt Letten beschäftigt gewesen war, ,,Beschwerde geführt hatte". In Letten wurden gewerkschaftliche Kampfformen erst etwa zwanzig Jahre später als im Steyrer Stammwerk angewandt. 1898 kommt es hier zur ersten Streikbewegung. Aufgrund dieser Arbeitsniederlegung wurden 16 durchwegs ledige, durchschnittlich rund 25 Jahre alte und zum Zeitpunkt des Streiks im Durchschnitt knapp über zwei Jahre im Werndlschen Fabriksetablissement beschäftig te Arbeiter entlassen . Unter ihnen waren zwei Facharbeiter, ein Eisendreher aus Neunkirchen in Niederösterreich, der aus einer Wiener Fabrik nach Letten zugezogen war, und ein „sehr frecher streikender Laufrichter" aus dem nahen Sierning. Die übrigen waren Fabriks- oder Hilfsarbeiter. Als häufigste Entlassungsgründe wurden „Mangel an Arbeit", ,, unbrauchbar", ,,Ausschuß " sowie „liederliche" oder „schlechte Arbei t" angeführt. Interessant ist, daß als „schlechte Arbei ter" vielfach zugewanderte Spezialisten bezeichnet wurden, sodaß der offizielle Entlassungsgrund
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